UN: Türkei in Kriegsverbrechen in Libyen verwickelt

Ein Bericht der unabhängigen UNUntersuchungskommission zu Libyen kommt zu der Feststellung, dass die Türkei die Rekrutierung von Kindersoldaten im Libyenkrieg gefördert hat. Bei Angriffen türkischer Drohnen wurden außerdem zwölf Zivilist:innen getötet.

Die Türkei ist seit langem am Konflikt in Libyen beteiligt. Tausende Söldner aus Nordsyrien wurden nach Libyen geschickt, um dort die türkischen Interessen an der Stützung der Muslimbrüder durchzusetzen und einen neoosmanischen Brückenkopf in Nordafrika zu schaffen. Aus einem aktuellen Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission der UN zu Libyen geht nun hervor, dass die Türkei die Rekrutierung von Kindersoldaten „zwischen 15 und 18 Jahren“ in Milizen, die für die von den Muslimbrüdern beherrschte Nationale Einheitsregierung gekämpft haben, gefördert habe. Es lägen der Kommission insbesondere Belege von Ende 2019 vor.

Zu den Aufgaben der Kindersoldaten heißt es: „Diese Kindersoldaten wurden in verschiedenen Funktionen eingesetzt, unter anderem in Kampfeinheiten und in einigen unterstützenden Funktionen wie zum Beispiel als Wachen. Viele wurden eingesperrt, wenn sie nicht gehorchten, und einige von ihnen wurden verwundet. Es besteht Grund zu der Annahme, dass Libyen seinen Verpflichtungen aus der Afrikanischen Charta über die Rechte und das Wohlergehen des Kindes nicht nachgekommen ist, die sowohl die Rekrutierung von Kindern als auch die unmittelbare Teilnahme von Kindern an Feindseligkeiten verbietet, auch wenn diese nicht zu den Streitkräften des Staates gehören. Außerdem haben sowohl Libyen als auch die Türkei möglicherweise gegen ihre Verpflichtungen aus dem OPAC verstoßen, die Rekrutierung und den Einsatz von Kindern zur Teilnahme an Feindseligkeiten zu verhindern. Die Mission stieß auf weitere Vorwürfe der Rekrutierung von Kindern und der direkten Teilnahme an Feindseligkeiten, aber für die Ermittlungen wäre mehr Zeit erforderlich.“

Türkische Drohnen massakrieren zwölf Zivilist:innen

Der UN-Bericht weist auf weitere Kriegsverbrechen mit möglicher türkischer Beteiligung hin. Am 3. Juni 2020 wurden bei vier aufeinanderfolgenden Drohnenangriffen mindestens 12 Zivilist:innen in der Stadt Qasr Bin Ghashir südlich von Tripolis getötet. Der Angriff wird den Truppen der libyschen Einheitsregierung zugeschrieben. Dazu schreibt die UN-Kommission: „Die Ermittlungen ergaben, dass die Angegriffenen unbewaffnet waren, darunter auch Frauen und Kinder. Die eingesetzten Waffen waren präzise und wurden von einem von Menschen gesteuerten unbemannten Luftfahrzeug („UAV“) abgeschossen. Die Angriffe erfolgten nacheinander, sie zielten auf dieselbe Gruppe unbewaffneter Menschen, die sich an einem Ort versammelt hatten, und sie fanden statt, als sich die LNA (Libysche Nationalarmee) aus dem Gebiet zurückzog. Die Mission schloss daraus, dass sich die Angriffe absichtlich gegen einzelne Zivilisten richteten, die nicht direkt an den Feindseligkeiten beteiligt waren, und somit möglicherweise einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und ein Kriegsverbrechen darstellen.“

Zu einer möglichen türkischen Verantwortung heißt es: „Es liegen Berichte vor, dass: (1) die Türkei mit der GNA eine Vereinbarung über die sicherheitspolitische und militärische Zusammenarbeit geschlossen hat; (2) die bei dem Angriff verwendeten Waffen und die Drohne in der Türkei hergestellt wurden; (3) die bei dem Angriff verwendete Drohne zuvor auf libyschen Militärstützpunkten gesichtet wurde, zu denen die Türkei Zugang hatte; und (4) die Entfernung zwischen diesen Stützpunkten und Qasr Bin Ghashir in den Bereich der Reichweite der Drohne fällt. Die genaue Rolle, die die Türkei bei diesem Angriff gespielt hat, muss jedoch noch ermittelt werden.“