Türkische Justiz erlässt Berichtverbot über Unfall

Medien in der Türkei dürfen nicht über den verheerenden Verkehrsunfall in Dêrika Çiyayê Mazî mit 21 Toten berichten. Die türkische Justiz hat einen Maulkorb für alle Zeitungen, Sender und Agenturen verhängt. Bei Verstößen drohen horrende Strafen.

Medien in der Türkei dürfen nicht über den verheerenden Verkehrsunfall in Dêrika Çiyayê Mazî in der nordkurdischen Provinz Mêrdîn (tr. Mardin) berichten. Unter Verweis auf den „Schutz der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit und Ordnung sowie der nationalen Sicherheit und zur Prävention von Straftaten“ verhängte die türkische Justiz einen Maulkorb für alle Zeitungen, Sender und Nachrichtenagenturen. Das entsprechende Berichtverbot wurde am Montag von der Rundfunkaufsichtsbehörde übermittelt, bei einer Verletzung müssen die Medien Strafe zahlen.

Zu dem Verkehrsunfall in Dêrika Çiyayê Mazî war es am Samstag gekommen. Ein mit mineralischem Dünger beladener LKW des Bergbauunternehmens Eti Bakır raste in eine Unfallstelle und erfasste neben Menschen, die Erste Hilfe leisteten, auch Personen an einer Tankstelle. Nach bisherigem Stand sind 21 Personen, darunter auch mehrere Minderjährige, ums Leben gekommen. 25 Menschen wurden verletzt, mindestens sechs von ihnen befinden sich in Lebensgefahr. Schon der erste Unfall war von einem LKW von Eti Bakır verursacht worden. Beide Fahrer wurden inzwischen verhaftet.

Wie erst jetzt bekannt wurde, hat die Strafabteilung des Amtsgerichts in Dêrika Çiyayê Mazî das Berichtverbot bereits unmittelbar nach dem Verkehrsunfall verhängt. Wenige Stunden zuvor war es bei Dîlok (Antep) zu einem ähnlich schweren Unfall gekommen. Dort starben 16 Menschen, darunter auch Feuerwehrleute, medizinisches Personal und zwei Journalisten. Besonders tragisch: Sie sollen ursprünglich wegen des Berichts über einen vorangegangenen Unfall vor Ort gewesen sein. Ein heranfahrender Bus sei dann verunglückt, habe sich überschlagen und einen Krankenwagen sowie den Übertragungswagen der Journalisten getroffen, teilten die Behörden mit. Mindestens 22 weitere Menschen wurden verletzt. Für diesen Unfall wurde kein Berichtverbot angeordnet.

Verwunderlich ist dies nicht. Das Bergbauunternehmen Eti Bakır gehört zur Cengiz Holding, die als größter Zerstörer des ökologischen und sozialen Gleichgewichts in Kurdistan und der Türkei bekannt ist. Die Cengiz Holding ist Teil der sogenannten „Fünferbande“, einem eng mit der AKP-Regierung verflochtenen Unternehmenskomplex, der massiv aus Public-Private-Partnership-Projekten profitiert. An der Spitze steht der Erdogan-treue Wirtschafsboss Mehmet Cengiz, der seit dem Regierungsantritt der AKP im Jahr 2002 zu viel Geld, Macht und Einfluss gekommen ist. Er und weitere Mitglieder seiner Familie tauchen oft auf der Forbes-Liste der reichsten Türken auf. Auch in den Panama Papers ist der Name von Mehmet Cengiz zu lesen. Die Enthüllung der Panama Papers 2016 durch einen Whistleblower hatte einen Blick in die Offshore-Welt aus Briefkastenfirmen und Steueroasen ermöglicht.