Der in der Schweiz lebende Kurde Yaser Örnek ist auf Veranlassung der türkischen Regierung in Deutschland festgenommen worden. Das teilte sein Anwalt mit. Der 27-Jährige befand sich am vergangenen Samstag auf der Durchreise, als sein Fahrzeug von Polizisten in Zivil nahe Raubling am Chiemsee gestoppt wurde. Seitdem befindet er sich in Bayern in Haft. Für kommenden Dienstag ist seine Überstellung an die Behörden in München geplant. Die Türkei verlangt seine Auslieferung.
Yaser Örnek wurde 1995 in der nordkurdischen Provinz Mêrdîn (tr. Mardin) geboren. Ab 2013 studierte er Türkisch und Literatur an der Çukurova-Universität in Adana. Dort wurde der linke Aktivist mehrmals festgenommen, weil er sich an Demonstrationen und Studierendenveranstaltungen beteiligte. 2015 saß Örnek für rund drei Monate in Untersuchungshaft, nachdem er im Wahlkampf an einer Sitzung der Demokratischen Partei der Völker (HDP) teilgenommen hatte. Bei der Parlamentswahl im Juni 2015 hatte die islamistische Erdoğan-Partei AKP nach zwölf Jahren die absolute Mehrheit verloren, als die HDP erstmals mit knapp 13 Prozent die Zehn-Prozent-Hürde überspringen konnte.
Nachdem er im Zusammenhang mit seinen legalen politischen Aktivitäten für die HDP wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ angeklagt wurde, floh Yaser Örnek aus der Türkei in die Schweiz. Dort erhielt er eine Aufenthaltsbewilligung. Vor einer Woche befand er sich mit einem Bekannten auf dem Weg in den Urlaub, als sein Wagen aus dem Verkehr der Autobahn A8 „herausgefischt“ wurde. Über Stunden wurden die beiden jungen Männer mit auf dem Rücken fixierten Händen festgehalten, Angaben über den Grund der „Maßnahme“ seien zunächst nicht gemacht worden, äußerte Örneks Begleiter Durmaz Yahişi.
Yaser Örnek ist in der Türkei inzwischen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden, außerdem laufen derzeit noch drei weitere Gerichtsverfahren gegen ihn. Die Führung in Ankara hat ihn bei der europäischen Polizeibehörde Europol zur Fahndung ausgeschrieben. Dieser Fahndungseintrag berechtigt die im niederländischen Den Haag ansässige Polizeiagentur, den Kurden mit Aufenthalt in der Schweiz in Deutschland festzunehmen. Der Münchner Kommunikationswissenschaftler und Menschenrechtler Kerem Schamberger sprach von einem ungeheuerlichen Vorgang. „Die deutschen Behörden haben in Komplizenschaft mit dem AKP-Regime gehandelt“, kommentierte Schamberger die Festnahme Örneks in Bayern im Kurznachrichtendienst Twitter. Damit drohe ihm eine Auslieferung an das AKP-Regime. „Das müssen wir alle gemeinsam verhindern.“