Türkei bestellt deutschen Botschafter ein

Gegen zwei leitende Mitarbeiter der Europa-Redaktion der AKP-nahen Zeitung „Sabah“ wird in Darmstadt wegen Verdachts des gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten ermittelt. Die Türkei ist empört und hat den deutschen Botschafter einbestellt.

Das türkische Außenministerium hat den deutschen Botschafter in der Türkei einbestellt. Hintergrund sei „die unbegründete Festnahme von Vertretern des Frankfurter Büros der Zeitung „Sabah“ vonseiten der deutschen Polizei“, teilte das Ministerium am Mittwoch in Ankara mit. Türkische Medien hatten zunächst berichtet, dass die hessische Polizei am Mittwoch in den Redaktionsräumen der in Frankfurt angesiedelten Europa-Redaktion des AKP-nahen Blattes eine Razzia durchgeführt haben soll.

Ermittlungen wegen Verdacht des gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten

Tatsächlich wurden der Deutschland-Verantwortliche Ismail Erel sowie „Sabah“-Nachrichtenchef Cemil Albay von der Polizei Darmstadt in Mörfelden-Walldorf festgenommen. Zudem wurden ihre Privatwohnungen durchsucht. Dabei gehe es laut zuständiger Staatsanwaltschaft um den Verdacht des gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten, wie es in Paragraf 126a des Strafgesetzbuches geregelt ist. Bei dem Einsatz seien Speichermedien und andere Beweismittel sichergestellt worden. Nach Abschluss der kriminalpolizeilichen Maßnahmen wurden Erel und Albay wieder entlassen.

Von regierungsnahem Konzern kontrolliert

Die auflagenstarke Tageszeitung „Sabah“ gilt als wichtigstes Sprachrohr der Regierung des amtierenden Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Wie auch der TV-Sender ATV gehört sie zur Turkuvaz Mediengruppe. 2007 wurde sie vom regierungsnahen Mischkonzern Çalık Holding erworben und 2013 an die Erdoğan-treue Kalyon-Gruppe weiterverkauft, die vor allem im Bausektor tätig ist. Der Medienkonzern wird von Serhat Albayrak kontrolliert, Bruder von Erdoğans Schwiegersohn und Ex-Finanzminister Berat Albayrak.

Grund für das Ermittlungsverfahren gegen die „Sabah“-Redakteure könnte die Veröffentlichung der deutschen Privatanschrift des Exil-Journalisten Cevheri Güven im vergangenen Jahr in dem Blatt und weiterer in Deutschland lebender Kritiker der Erdoğan-Regierung sein. Güven war Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Nokta“. Er wurde 2015 nach einem Erdoğan-kritischen Titelbild verhaftet und verbrachte einige Monate im Gefängnis. Nach dem vermeintlichen Putschversuch 2016 wurde die Zeitschrift per Notstandsdekret verboten. Güven gelang die Flucht nach Deutschland.

Neben Güven werfen zahlreiche weitere regierungskritische Medienschaffende der „Sabah“ vor, als Hetz- und Propagandablatt der türkischen Regierung zu fungieren. Die Zeitung beziehe viele ihrer Informationen vom türkischen Geheimdienst MIT und diene dazu, Oppositionelle zu kriminalisieren und diffamieren und missliebige Personen als „Terroristen“ zu brandmarken. Den Ausspähaktionen der „Sabah“ und Bekanntmachungen von Privatadressen fielen in der Vergangenheit auch der in Berlin lebende Exil-Journalist Can Dündar und der in Schweden lebende Journalist Abdullah Bozkurt zum Opfer.

Ankara: „Haltlose Anzeige“ eines Mitglieds der Gülen-Organisation

Das türkische Außenministerium schrieb in der Mitteilung, Erel und Albay seien einer „haltlosen Anzeige“ eines Mitglieds der Gülen-Organisation zum Opfer gefallen. Gemeint dürfte Cevheri Güven sein, der in „Sabah“-Berichten oftmals als „Propaganda-Imam“ bezeichnet wird. Die Türkei sieht die Gülen-Bewegung um den im US-Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen hinter dem sogenannten Putschversuch und listet diese als Terrororganisation. Ankara brachte den Vorfall zudem in Zusammenhang mit der Parlaments- und Präsidentenwahl von Sonntag. Dass sich die Aktion unmittelbar nach der ersten Runde der Wahl ereignet habe, sei eine „vorsätzliche Handlung“. Bei der Präsidentenwahl in der Türkei am Sonntag hatte Amtsinhaber Erdoğan laut offiziellen Zahlen die absolute Mehrheit knapp verfehlt und muss am 28. Mai gegen den Zweitplatzierten, Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu, in einer Stichwahl antreten.