Die türkische Regierung zeigt sich zunehmend konzeptlos in ihrem Umgang mit Schutzsuchenden. Im vergangenen Februar wurden Tausende Flüchtlinge aus der gesamten Türkei an die EU-Außengrenze transportiert, um der EU finanzielle und politische Unterstützung für das angeschlagene Erdogan-Regime abzupressen. Der generalstabsmäßig vorbereitete Plan trug nicht zur Beliebtheit von Erdogan bei, zeigte als Druckmittel auf dem Rücken der Schutzsuchenden jedoch durchaus Wirkung.
Im Zuge der Corona-Pandemie wurde das an der Landgrenze nach Griechenland in Pazarkule entstandene Zeltlager gewaltsam aufgelöst und die Schutzsuchenden zurück ins Landesinnere gebracht. Anfang der Woche häuften sich Berichte, dass Tausende Flüchtlinge aus türkischen Internierungslagern mit Bussen an die Ägäis-Küste transportiert wurden, damit sie von dort aus mit Schlauchbooten zu den griechischen Inseln übersetzen. Viele von ihnen strandeten am Busbahnhof in Izmir, wo sie nach tagelangem Warten erneut aufgegriffen und in andere Landesteile zurückgebracht wurden.
Vergangene Nacht wurden 23 Personen, darunter schwangere Frauen und Kinder, von der Migrationsbehörde aus der zentralanatolischen Provinz Kirikkale mit einem Bus auf den Weg nach Istanbul gebracht und schließlich in Gebze auf der Straße ausgesetzt. Die Solidaritätsorganisation „Tarlabaşı Dayanışması“ versuchte bei den Behörden eine Lösung für die Schutzsuchenden zu finden, fand jedoch keine Ansprechpartner. Eine Pension in Gebze lehnte die Aufnahme der Betroffenen wegen fehlender Ausweise ab.
Erst als die Situation der auf der Straße ausgesetzten Flüchtlinge in den sozialen Medien die Runde machte, griff die Polizeidirektion in Gebze ein. Gegen Morgen wurden die Schutzsuchenden erneut in einen Bus gesetzt und nach Kirikkale zurückgeschickt.