Türkei: Gefangene als Risikogruppe
Mit der in der Türkei verabschiedeten Strafvollzugsreform werden Regierungsanhänger freigelassen, um Platz für Oppositionelle zu schaffen. Die politischen Gefangenen werden schutzlos dem Corona-Tod überlassen.
Mit der in der Türkei verabschiedeten Strafvollzugsreform werden Regierungsanhänger freigelassen, um Platz für Oppositionelle zu schaffen. Die politischen Gefangenen werden schutzlos dem Corona-Tod überlassen.
Seit dem Beginn der Corona-Pandemie sind die Gefängnisse in der Türkei in den Fokus gerückt. Die AKP/MHP-Regierung hat ein aus 70 Paragraphen bestehendes Reformpaket zum Vollzugsgesetz ins Parlament eingebracht, das nach siebentägiger Beratung trotz heftiger Kritik der Opposition verabschiedet worden ist. Politische Gefangene und inhaftierte Journalisten sind von der Reform ausgeschlossen.
Hüsnü Taş von der Gefangenenhilfsorganisation TUAD widerspricht den Angaben des türkischen Justizministeriums, dass in den Haftanstalten die notwendigen Präventionsmaßnahmen getroffen worden sind: „Die politischen Gefangenen in der Türkei werden in unhygienischen Hafträumen festgehalten. Die Räume werden unzureichend gelüftet. Das Wachpersonal kommt jeden Tag von draußen und führt ohne Schutzmasken Zählungen in den Zellentrakten durch. Die Zellen sind noch kein einziges Mal desinfiziert worden.“
Auch bei Anwaltsgesprächen werden nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen, erläutert Taş: „Es gibt viele schwer kranke Gefangene, die zur Risikogruppe gehören. Gleichbehandlung im Vollzug ist keine Gnade, sondern gesetzliche Verpflichtung. Für die oppositionellen Gefangenen stellt sich das Vollzugsgesetz als Feindstrafrecht dar. Die Corona-Pandemie wird irgendwann vorbei sein, aber Gerechtigkeit und Frieden werden ernste Verletzungen davontragen. Die Vollzugsreform hätte für alle gelten müssen. Alle Gefangenen hätten freigelassen werden müssen. Das Recht auf Leben und Gesundheit hat Vorrang. Die Gesetzesreform ist diskriminierend.“
Taş vergleicht das Vorgehen mit der Todesstrafe und weist darauf hin, dass die Infektionsfälle in den Gefängnissen verheimlicht werden. Das Justizministerium hatte von 17 Fällen gesprochen, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Hüsnü Taş sieht in der Vollzugsreform eine Maßnahme, um Regierungsanhänger freizulassen und damit neuen Platz für Oppositionelle zu schaffen: „Und diese werden im Gefängnis dem Tod überlassen.“