Busse aus ganz Deutschland brechen Freitagnacht und Samstagmorgen nach Düsseldorf auf, um Menschen zur Großdemonstration in Düsseldorf gegen die türkischen Chemiewaffenangriffe auf die Medya-Verteidigungsgebiete zu bringen. Der Europadachverband KCDK-E hat den 12. November zum „nationalen Streiktag gegen Chemiewaffeneinsätze“ ausgerufen. Auch die Kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E) ruft zur Massenmobilisierung nach Düsseldorf auf.
„Ein Jahrhundertverbrechen findet statt“
Die Frauenbewegung bezeichnet die seit zwei Jahren immer heftiger werdenden Chemiewaffeneinsätze in den Medya-Verteidigungsgebieten als „Jahrhundertverbrechen vor den Augen der Weltöffentlichkeit“. Hundert Jahre nach der Aufteilung Kurdistans im Abkommen von Lausanne solle nun die „Vernichtungspolitik vollendet werden“. Die TJK-E erinnert an die 17 in den letzten Wochen durch Chemiewaffeneinsätze gefallenen Kämpfer:innen und unterstreicht, dass die Guerilla die Kraft sei, die der Vernichtungspolitik einen „Strich durch die Rechnung“ gemacht habe.
Die TJK-E folgert: „Heute ist es die Pflicht der kurdischen politischen Parteien, ihre kurzfristigen Parteiinteressen hinter sich zulassen und Seite an Seite und Schulter an Schulter gegen hundert Jahre Lausanne aufzustehen. In die Fußstapfen des ehrenvollen Weges der tapferen kurdischen Jugend zu treten, bedeutet zu sagen: Die Guerilla ist unsere Würde.“
„Es ist eine nationale Pflicht, die kollaborierende PDK bloßzustellen“
Die TJK-E kritisiert die mit dem türkischen Staat kollaborierende südkurdische Regierungspartei PDK und erklärt: „Wir möchten außerdem darauf hinweisen, dass es auch eine nationale Pflicht ist, die PDK zu entlarven, die vor Monaten die Gasmasken, die die Guerilla vor chemischen Angriffen schützen sollten, konfisziert hat und die Delegationen, die die Verbrechen gegen die Menschlichkeit untersuchen wollten, daran hinderte und sich auf die Seite der Besatzer stellte.“
„Es müssen Sanktionen gegen die Türkei verhängt werden“
Die Frauenbewegung appelliert an die internationale Gemeinschaft: „Institutionen wie die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) und die Vereinten Nationen sollten unverzüglich Maßnahmen gegen diese Verbrechen ergreifen und den türkischen Staat sanktionieren. Das Internationale Ärztekomitee zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), das kürzlich die Region besucht und einen Bericht veröffentlicht hat, sollte angehört werden.“
„Die europäischen Staaten sind Komplizen“
Die TJK-E wirft den europäischen Staaten vor, sich aus politischen und ökonomischen Interessen „seit hundert Jahren zu Komplizen des Vernichtungs- und Verleugnungssystems gegen die Kurd:innen“ zu machen, und führt aus: „Die europäischen Staaten haben sich auch schuldig gemacht, indem sie die PKK, die einen Freiheitskampf für ihr Volk führt, auf die Terrorliste gesetzt und damit den Einsatz von Chemiewaffen legitimiert haben. Sie haben sich schuldig gemacht, indem sie der Türkei erlauben, jede Methode gegen den Freiheitskampf einzusetzen, indem sie die Delegationen, die vor Monaten mit den humanitären Forderungen wie der Verhinderung dieser Angriffe in die Medya-Verteidigungsgebiete reisen wollten, kriminalisiert und an der Ausreise gehindert haben, und indem sie durch ihre Schweigen den türkischen Staat zur Verschärfung seiner Kriegsverbrechen eingeladen haben. Solange diese Politik der Vernichtung und Verleugnung, die Politik des Völkermordes am kurdischen Volk fortgesetzt wird, solange dieses Feuer weiterbrennt, werden nicht nur diese Länder, sondern keine Ecke der Welt frei sein.“
Die TJK-E appelliert: „Wir rufen Gesundheitsorganisationen, unabhängige Institutionen und Ärzt:innen, denen das menschliche Leben heilig ist, auf, sich diesem Verbrechen gegen die Menschlichkeit entgegenzustellen. Die Verletzung des Rechts auf Leben, des grundlegendsten Rechts, kann kein Recht sein, das nur in Konventionen und auf dem Papier steht. Wir rufen alle Anwält:innen in der Türkei, in Südkurdistan und in Europa auf, eine ihrer Berufsehre entsprechende Haltung zu beziehen.“
„Ein Angriff gegen alle, die eine andere Welt für möglich halten“
Die TJK-E unterstreicht die Universalität des Paradigmas der kurdischen Freiheitsbewegung und erklärt: „Der kurdische Freiheitskampf wird seit fünfzig Jahren ununterbrochen geführt. Es wird nicht nur gekämpft, sondern auch ein alternatives System auf der Grundlage eines demokratisch-ökologischen, frauenbefreienden Paradigmas aufgebaut. Dieses Paradigma ist ein Modell für alle Völker der Welt. Die heutigen Angriffe auf die Freiheitsguerilla sind Angriffe gegen dieses Paradigma, Angriffe gegen die Überzeugung, dass eine andere Welt möglich ist. Es geht um die Vernichtung einer Alternative. Es handelt sich um einen universellen Angriff gegen alle, die ein demokratisches und freies Leben wollen. Deshalb muss auch der Kampf dagegen universell sein.“
„Niemand soll am 12. November zur Arbeit oder zur Schule gehen“
Die Hauptkraft zur Zerschlagung des türkischen Faschismus und um dessen Verbrechen zu stoppen, sei aber das kurdische Volk selbst, erklärt die TJK-E und ruft auf: „Auf dieser Grundlage rufen wir unser gesamtes in Europa lebendes Volk, die kurdischen Frauen, alle Frauenräte, -initiativen und -organisationen auf, sich im Geiste der Mobilisierung zu erheben und dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit ununterbrochenen Aktionen zu entlarven. In diesem Sinne haben wir den 12. November zum nationalen Streiktag gegen Chemiewaffen in Europa erklärt. Am 12. November rufen wir alle Menschen aus Kurdistan, die Frauen, Jugendlichen, Alten, Studierenden, Werktätigen, Glaubensgemeinschaften, Intellektuellen, Demokrat:innen, Sozialist:innen, Oppositionelle und alle, die für Menschlichkeit einstehen, dazu auf, sich mit Stimme und Herz an der Mobilisierung zu beteiligen.
Am 12. November werden wir in Düsseldorf erneut an die internationalen Institutionen appellieren, ihren humanitären, rechtlichen und universellen Verpflichtungen dringend nachzukommen. Am 12. November sollten die Frauen, unser Volk, die Jugend und unsere Freund:innen nicht zur Schule oder zur Arbeit gehen, das Leben anhalten und sich an diesem Kampf für die Würde beteiligen.“