Tahir Elçi: Verhandlung nach Befangenheitsantrag vertagt

Fünf Jahre nach den tödlichen Schüssen auf Tahir Elçi in Amed hat der Prozess gegen drei verdächtige Polizisten begonnen. Die Verhandlung wurde nach einem Ablehnungsgesuch gegen die Richter auf März 2021 vertagt.

Fünf Jahre nach den tödlichen Schüssen auf den kurdischen Rechtsanwalt Tahir Elçi hat am Mittwoch in Amed (türk. Diyarbakir) der Prozess gegen drei verdächtige Polizisten begonnen. Der Prozessauftakt an der 10. Strafkammer des Schwurgerichtshofs wurde von zahlreichen Anwältinnen und Anwälten, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Politiker*innen der Opposition verfolgt. Nach einem Ablehnungsgesuch gegen die Richter durch die Familie des Opfers wurden die weiteren Verhandlungen auf März kommenden Jahres vertagt.

Der ehemalige Vorsitzende der Anwaltskammer in Amed, Tahir Elçi, war am 28. November 2015 im Altstadtbezirk Sûr während einer Pressekonferenz, auf der er vor dem Hintergrund der Ausgangssperren und Militäroperationen der türkischen Armee zu Frieden aufrief, bei einem Schusswechsel zwischen Polizisten und Mitgliedern der Zivilen Verteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Sivîl, YPS) erschossen worden. Das Gericht wirft drei Polizisten die fahrlässige Tötung Elçis vor. Sie nahmen über das Videokonferenz SEGBIS an dem Prozess teil. Bei einer Verurteilung drohen ihnen Haftstrafen von zwei bis sechs Jahren.

Mit Uğur Yakışır, einem YPS-Angehörigen, der am Todestag von Elçi in unmittelbarer Nähe der Altstadtgasse zwei Polizisten erschossen hatte, wird in Abwesenheit verhandelt. Für ihn fordert der Oberstaatsanwalt jeweils dreimal lebenslänglich plus weitere 45 Jahre Haft wegen „Mord an Tahir Elçi“, „Mord an zwei Polizeibeamten“ und der versuchten Zerstörung der Einheit und Integrität des Staates, obwohl er nachweislich nicht auf Elçi geschossen hat. Die Rechtsanwaltskammer Amed und die Tahir-Elçi-Stiftung kritisieren die Anklageschrift scharf. Sie basiere größtenteils auf offensichtlichen Unwahrheiten und diene lediglich dazu, die Wahrheit zu verschleiern und das Bewusstsein der Straflosigkeit zu festigen.

Hinterbliebene von Elçi beklagen physische Abwesenheit der Polizisten

Der Rechtsbeistand der Familie von Elçi beklagte sich bei der Prozesseröffnung über die physische Abwesenheit der drei angeklagten Polizisten, denen das Gericht bereits im April erlaubt hatte, via Videokonferenz in die Verhandlung eingebunden zu werden. „Sie lehnen alle unsere Anträge ab und hören uns nicht an“, sagte der Anwalt Barış Yavuz. Gegen die Richter wurde ein Befangenheitsantrag gestellt. Ob diesem stattgegeben wird, muss ein höheres Gericht entscheiden. Die Verhandlungen wurden auf den 3. März 2021 vertagt.