Mit deutlichen Worten hat die linke Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Sommer die Bundesregierung aufgefordert, den Genozid an den Ezidinnen und Eziden in Şengal als solchen zu benennen und zu verurteilen. „Ein Völkermord wie dieser darf nie wieder geschehen“, sagte die entwicklungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linkspartei mit Blick auf den bevorstehenden Jahrestag des Genozids am Montag in Berlin.
Am 3. August 2014 überfiel die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) das Hauptsiedlungsgebiet der Ezidinnen und Eziden in Şengal mit dem Ziel, eine der ältesten Religionsgemeinschaften auszulöschen. Durch systematische Massakrierung, Vergewaltigung, Folterung, Vertreibung, Versklavung von Mädchen und Frauen sowie der Zwangsrekrutierung von Jungen als Kindersoldaten erlebte die ezidische Gemeinschaft den von ihr als Ferman bezeichneten 73. Völkermord in ihrer Geschichte. Über 10.000 Menschen fielen den Massakern des IS zum Opfer. Mehr als 400.000 Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Über 7.000 Frauen und Kinder wurden verschleppt, Bis heute werden etwa 2.800 Frauen und Kinder vermisst. Daher stellt dieser Genozid in seiner Form zugleich auch einen Femizid dar.
Keine Straffreiheit für IS-Terroristen
Im Mai 2021 stufte eine UN-Ermittlungsgruppe die Verbrechen an den Ezid:innen als Völkermord ein. Für Sommer stellt diese offizielle Einstufung der IS-Massenmorde eine „Aufforderung an die Bundesregierung und alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen“ dar, Schritte zum Schutz der religiösen Minderheiten im Irak und Syrien einzuleiten und einer Straflosigkeit für die „grausamen Verbrechen“ entgegenzuwirken. „Die Bundesregierung muss dieser Aufforderung nachkommen und die Völkerrechtsverbrechen durch den IS als Völkermord anerkennen und verurteilen“, verlangt Sommer.
Internationale Gerichtsbarkeit schaffen
Dass deutsche Gerichte weltweit erstmals den Völkermord an der ezidischen Gemeinschaft nach dem Weltrechtsprinzip ahnden, findet Sommer begrüßenswert. Bereits drei IS-Mitglieder wurden in Deutschland wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Ezid:innen verurteilt. Die Urteile gegen zwei weitere IS-Mitglieder sollen im Spätsommer folgen. „Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit, aber nicht ausreichend. Verbrechen gegen das Völkerrecht durch IS-Terroristen erfordern eine internationale Lösung.” Als nichtständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates sollte sich die Bundesregierung für die Einrichtung eines UN-Sondertribunals in Nord- und Ostsyrien einsetzen, fordert Sommer. Das wollen auch die politischen und militärischen Strukturen im Autonomiegebiet. Die Selbstverwaltung appelliert seit Jahren an die internationale Gemeinschaft, ein Sondergericht zur Verfolgung von Mitgliedern des IS einzurichten. Zuletzt sprachen sich erneut auch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) für ein solches Tribunal aus, das eine Lösung gegen ein Wiederaufleben der Terrormiliz sein könnte.