Vor einer Woche hat das türkische Innenministerium die HDP-regierten Großstädte Amed (Diyarbakir), Mêrdîn (Mardin) und Wan (Van) unter Zwangsverwaltung gestellt. Die Oberbürgermeister*innen Adnan Selçuk Mızraklı, Ahmet Türk und Bedia Özgökçe Ertan, die mit 63, 56 und 54 Prozent der Stimmen als deutliche Sieger aus den Kommunalwahlen Ende März hervorgegangen waren, wurden abgesetzt und durch von der Regierung ernannte Gouverneure ersetzt, die in den kurdischen Kommunen als kommissarische Verwalter fungieren sollen. Das Innenministerium begründet diese Maßnahme, die von der HDP als „politischer Putsch“ und „Schlag gegen den Willen des Volkes“ gewertet wird, mit Ermittlungsverfahren gegen die abgesetzten Bürgermeister*innen wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation” und „Terrorpropaganda”. Unter anderem sollen die Politiker*innen ihre Posten für die Unterstützung von Aktivitäten der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) genutzt haben. Die HDP erklärte, dass die Begründung für die Zwangsverwaltung vollkommen erfunden sei. Die Verfahren gegen Mızraklı, Türk und Ertan gehen teilweise auf ihre Zeit als Abgeordnete in früheren Jahren zurück.
Seitdem die kurdischen Kommunalverwaltungen von Statthaltern regiert werden, wird die damit ausgelöste Protestwelle immer größer. In zahlreichen Städten in Nordkurdistan und der Türkei, aber auch in anderen Ländern, kommt es mittlerweile den achten Tag in Folge zu Demonstrationen. Zudem erklären sich immer mehr Kreise solidarisch mit der HDP. Der Der linke basisdemokratische Gewerkschaftsverband Union syndicale Solidaires stellt sich ebenfalls klar gegen die Absetzung demokratisch gewählter Volksvertreter und fordert Solidarität mit den progressiven Kräften in der Türkei, die sich für die Achtung der Demokratie einsetzen. Das erklärt die Basisgewerkschaft in einem am Montag veröffentlichten Kommuniqué. Einleitend heißt es darin, dass die AKP-MHP-Regierung unter Recep Tayyip Erdogan die Demokratie erneut mit Füßen tritt, „weil sie mit dem Ergebnis der Wahlen nicht zufrieden ist“. Solidaires erinnert daran, dass bereits nach dem Putschversuch vom Sommer 2016 insgesamt 96 Bürgermeister der HDP ihres Amtes enthoben und durch Zwangsverwalter ersetzt worden waren und kritisiert die Massenfestnahmen nach der jüngsten Absetzungswelle. Zeitgleich zur Amtsenthebung der Oberbürgermeister fanden in 29 Provinzen der Türkei Razzien statt, bei denen fast 500 HDP-Aktivisten festgenommen wurden. Die französische Basisgewerkschaft betont in ihrem Schreiben zudem, dass die Maßnahme der Regierung deren feindliche Gesinnung zum erklärten politischen Willen der Kurden und verweist auf eine der Begründungen des Innenministeriums, wonach die abgesetzten Oberbürgermeister beschuldigt werden, mit dem Prinzip der Doppelspitzen, das die HDP auf allen Ebenen verfolgt, auf Anordnung der PKK eine nicht verfassungsmäßige politische Struktur eingeführt zu haben, die vom Ganzen des Landes abweiche. Solidaires erklärt sich solidarisch mit den Teilnehmenden der Proteste gegen die Regierung, die jedes Mal gewaltsam unterdrückt werden. Außerdem heißt es: „Wir unterstützen alle progressiven kurdischen und türkischen Kräfte, die gegenwärtig für die Achtung der Demokratie in der Türkei und Nordkurdistan kämpfen. Insbesondere gilt unsere Verbundenheit den Mitarbeitern der Gewerkschaften Tüm-Bel-Sen, die Mitglied des fortschrittlichen Gewerkschaftsbundes KESK sind, und sich an vorderster Front für die kurdischen Kommunen einsetzen.
Auch wenn es die türkische Regierung ist, welche die grundlegendsten demokratischen Rechte ganz offenkundig missachtet, verurteilen wir auch den französischen Staat, da er sich weigert, seine Beziehungen mit der AKP zu beenden und ihre faschistischen Exzesse sogar deckt.”