Der Sprecher der Partei der Demokratischen Einheit (PYD) Salih Muslim hat sich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ANHA zu den Aussagen des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan geäußert, welche er nach einem Treffen mit seinen Anwälten am 7. August verlautbaren ließ. Muslim bewertet die Besuche des Verteidigerteams des kurdischen Vordenkers auf der Gefängnisinsel Imrali als äußerst wichtig und positiv und erklärte: „Das kurdische Volk fordert, dass die Welt den Ansichten von Öcalan Gehör schenken muss.“
Seit der Leugnung nur Krieg
In dem Interview geht Salih Muslim auf die Bewertung Öcalans hinsichtlich der Geschichte des Osmanischen Reiches und der Republik Türkei ein und ergänzt: „Der türkische Staat sollte seine Geschichte richtig analysieren. Die durch den türkischen Staat verursachte und ausgelöste Feindschaft zwischen dem kurdischen und dem türkischen Volk hat letztendlich immer der Türkei geschadet. Es ist Zeit für eine offizielle Anerkennung der Kurden. Dadurch würde die kurdische Frage gelöst werden, aber auch die Probleme der Türkei insgesamt. Wenn man sich vom unbedingten Kriegswillen loslösen würde, dann kann auch die kurdische Frage gelöst werden. Daher betont auch der Vorsitzende Öcalan die Wichtigkeit, dass die Geschichte einer richtigen Analyse unterzogen wird. In den kurdisch-türkischen Beziehungen, die in Ahlat und Malazgirt ihren Anfang fanden und bis zur Verfassung von 1921 weiter anhielten, wurde der Wille der Kurden akzeptiert. In der Folgezeit begann die Assimilierungsphase gegenüber den Kurden. Seitdem befindet sich der türkische Staat in einem Kriegszustand“, so Muslim.
Für die Lösung bedarf es eines Dialogs
Der PYD-Sprecher Salih Muslim unterstreicht die Stärke von Öcalan hinsichtlich einer Lösung und erklärt: „Seit der Amtszeit von Turgut Özal, also seit 27 Jahren, verlieren Türken und Kurden. Falls damals die Schritte zur Lösung akzeptiert worden wären, hätten wir die letzten 27 Jahren nicht mit Krieg verbracht. Turgut Özal bewies Mut und legte einen Plan zur Lösung vor. Der türkische Staat jedoch stellte sich der Lösung in den Weg. Daher stellt auch Öcalan dem türkischen Staat die Frage ‚Gibt es unter euch jemanden, der eine derartige Führungsrolle übernehmen und auch praktisch ausführen kann?‘. Öcalan möchte die bestehenden Problematiken mittels Dialog lösen. Jedoch sind hinsichtlich dessen auch die Ansprechpartner und Führungspersönlichkeiten von bedeutender Rolle. Für eine Lösung der kurdischen Frage ist ein Dialog am Tisch von zentraler Bedeutung.“
Protokoll von Dolmabahçe
Muslim erinnert an die Worte von Öcalan, wonach er für eine Lösung der kurdischen Frage und den Frieden bereit sei und fügt hinzu: „Durch die Worte ‚ich bin bereit für den Frieden‘ ist klar zu erkennen, dass der Weg für eine Lösung über Imrali führt. Öcalan äußert zudem, dass die kurdische Existenz nicht geleugnet werden kann. Er äußert, dass mittels Vereinbarungen jegliche Probleme gelöst werden können. Ebenfalls erinnert er an das Zehn-Punkte-Abkommen von Dolmabahçe* im Jahre 2013 und betont, dass die Punkte dieses Abkommen diskutiert und erweitert werden sollten. Dass er sich sicher ist, die Konfliktsituation innerhalb einer Woche zu beseitigen, ist ein Zeichen seines Vertrauens in das Volk und dessen Stärke sowie in sein Paradigma. Dieses Vertrauen gibt ihm zudem auch Kraft“, erklärt Muslim.
Ohne die Lösung der kurdischen Frage…
Muslim stellt klar, dass die kurdische Frage mit den Problematiken im Mittleren Osten eng verwurzelt ist: „Die Seite, die die Lösung dieser Frage verhindert, ist der türkische Staat. Die Geschichte zeigt, dass sobald eine Errungenschaft der Kurden im Raum stehen könnte, sich dieser auf eine barbarische Art in den Weg gestellt wird. Aktuell ist der türkische Staat bestrebt, die Revolution in Nord- und Ostsyrien zu zerschlagen. Der Staat erklärt, dass kein Unterschied zwischen Efrîn und Kerkûk (Kirkuk) existiere und er alles dem Erdboden gleich machen wolle. Ohne eine Lösung der Frage in Nordkurdistan kann auch keine Lösung in den anderen Teilen Kurdistans erreicht werden. Dies gilt auch für Rojava. Die Probleme in den selbstverwalteten Gebieten Nord- und Ostsyriens werden verschwinden, sobald der türkische Staat von dort verschwindet. Wir können innerhalb der Grenzen von Syrien eine Lösung im demokratischen Rahmen mit dem syrischen Regime erzielen. Das System von Nord- und Ostsyrien fungiert als Beispielmodell für den ganzen Mittleren Osten. Jedoch verhindert der türkische Staat die Ausbreitung dieses Systems ebenso wie eine Gesamtlösung für ganz Syrien. Wir hoffen, dass der türkische Staat zur Vernunft kommt und als Ansprechpartner für den Vorsitzenden Öcalan fungieren kann. Ohne die Lösung der kurdischen Frage kann kein anderes Problem im Mittleren Osten gelöst werden.“