Rojava-Konferenz im EU-Parlament geht weiter
Die Konferenz „Nordostsyrien/Rojava - Ein regionaler und globaler Lackmustest“ im Gebäude des Europaparlamentes in Brüssel wird am zweiten Tag fortgesetzt.
Die Konferenz „Nordostsyrien/Rojava - Ein regionaler und globaler Lackmustest“ im Gebäude des Europaparlamentes in Brüssel wird am zweiten Tag fortgesetzt.
Im Europaparlament in Brüssel findet seit gestern eine zweitägige Konferenz zur Situation in Nord- und Ostsyrien nach der türkischen Invasion statt. An der von den europäischen Grünen, der nordsyrischen Autonomieverwaltung und der Internationalen Allianz für Rechte und Freiheiten (AIDL) organisierten Veranstaltung nehmen Abgeordnete, Journalist*innen, Menschenrechtler*innen und Akademiker*innen teil.
Die Konferenz befasst sich mit den Gründen der türkischen Besetzung, ihren Folgen und den Ursachen der Ignoranz der internationalen Mächte. Die Diskussionen drehen sich darum, wie gegen die völkerrechtswidrige Invasion vorgegangen werden kann und auf welche Weise Rojava geschützt und die Syrienkrise gelöst werden können.
„Terrorismusexporteur Türkei“
Die erste Sitzung wurde heute von Majdolen Hasan vom Demokratischen Syrienrat moderiert. Nazire Gawriye von der Assyrischen Partei der Demokratischen Einheit sprach über die Hintergründe der Invasion. Sie bezeichnete die Türkei als „Terrorismusexporteur“, der mit seinen Angriffen auf die Vernichtung der Autonomieverwaltung von Nordostsyrien abziele. Die Türkei sehe das multiethnische, demokratische Projekt als Bedrohung für ihr monistisches und autokratisches Herrschaftsmodell. Gawriye wies auf die negativen Konsequenzen und insbesondere auf die Verbrechen der von der Türkei kommandierten SNA-Milizen hin: „Diese Gruppen plündern alles. Das ist keine Friedensoperation, sondern ein terroristischer Angriff. Die Türkei haucht dem IS neues Leben ein.“
Abdul-Rahman: Verbrechen finden auf Erdoğans Befehl statt
Anschließend sprach Rami Abdul-Rahman als Gründer und Direktor der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte über das SNA-Milizbündnis und die Legitimierung von Terror durch das Erdoğan-Regime. Er wies auf die Ignoranz der Besatzung von Efrîn hin und betonte, der türkische Staat verletze mit seinen Angriffen das Völkerrecht: „Diese Rechtsverletzungen richten sich nicht nur gegen die Zivilbevölkerung und ihren Besitz, sondern auch gegen das kulturelle Erbe. So wird die Identität der Region verändert.“ Weiter erklärte er: „Die SNA wurden benutzt, um die Rechte der Menschen in Syrien zu verletzen. Diese Verletzungen werden auf Befehl der Erdoğan-Regierung begangen. Auf diese Weise findet eine Vertreibungspolitik statt. Es geht um die Veränderung der Demografie.“ Abdul-Rahman kritisierte das Schweigen der EU und ihrer Institutionen zu den bereits in Efrîn begonnenden Rechtsverletzungen durch die Türkei.
Huseyin: Die Türkei will den IS wiederbeleben
Jiyan Huseyin vom Kantonalrat von Serêkaniyê (Ras al-Ain) berichtete von der Befreiung der Stadt von der Terrorherrschaft des IS und der Al-Nusra-Front. Acht Jahre hätten Freiheit und Frieden in der Stadt vorgeherrscht. Jetzt sei der türkische Staat mit seinen Terrorgruppen einmarschiert. Die Verbrechen der Besatzungstruppen reichen laut Huseyin von Vertreibung, Plünderung und Entführung bis hin zu Mord. Jiyan Huseyin warnte davor, dass der türkische Staat dem IS neues Leben einhauchen wolle, um ihn für seine Interessen in der Region einzusetzen.
Naisse: Türkische Invasion Bedrohung für alle Völker der Region
Hayat Naisse vom Demokratischen Syrienrat erklärte, die Invasion sei nicht nur eine Bedrohung für die Kurden, sondern für alle Menschen in der Region. Das in Nordostsyrien praktizierte Modell der demokratischen Autonomie sei inklusiv und ziele auf die Gleichberechtigung aller ab. Dieses Modell solle nun zerschlagen werden.
Al-Heedy: Türkei will ein Imperium errichten
Die erste Sitzung wurde von dem ägyptischen Journalisten Nashed al-Heedy abgeschlossen. Er sprach über die imperialen Bestrebungen des Erdoğan-Regimes und hob dessen expansionistischen Charakter hervor. Er erinnerte an den armenischen Genozid und sagte: „Erdoğan will auf Kosten der Kurden und Araber ein türkisches Imperium, ein osmanisches Reich errichten.“ Erdoğan versuche auch in Ägypten durch die Muslimbruderschaft einzuwirken. Im Hinblick auf den Libyen-Deal Erdoğans erklärte er, die libysche „Einheitsregierung“ habe Libyen an Erdoğan verkauft. Er forderte außerdem, dass sich Europa gegen die völkerrechtswidrigen Angriffe des Erdoğan-Regimes stellen müsse.
Zweite Sitzung
In der zweiten Sitzung des heutigen Tages spricht Per Örneus, der Beauftragte für humanitäre Angelegenheiten im schwedischen Außenministerium, über Europa und die Haltung gegenüber der türkischen Invasion. Anschließend folgt der ehemalige amerikanische Diplomat und Politikberater Peter W. Galbraith mit einem Vortrag zur völkerrechtlichen Dimension des Angriffskrieges.
Professor Dr. David Graeber wird über die Rolle der Zivilgesellschaft für den Frieden sprechen, Ilham Ehmed, die Vorsitzende des Exekutivausschusses der Demokratischen Syrienrats, hält einen Vortrag zu Lösungsoptionen in der Syrienkrise.
Am ersten Tag haben zwei Sitzungen stattgefunden. Unter den Rednern befand sich der ehemalige französische Außenminister Bernard Kouchner, der betonte, dass die türkische Besatzung als „Barbarei" definiert werden könne. Kouchner sagte, der einfachste Grund, warum die internationalen Kräfte und Institutionen zur Besatzung schweigen, sei die Tatsache, dass die Kurden keinen Staat hätten. Er wies darauf hin, dass die Spaltung unter den Kurden ein Problem sei, das im alten Kolonialismus verwurzelt sei. Amelia Chelly sprach über die Beziehungen zwischen dem türkischen Staat und dem IS.