Razzia bei ESP in Izmir

Nach Hausdurchsuchungen in sieben Provinzen ist nun auch der Verband der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP) im westtürkischen Izmir gestürmt worden. Der zur Fahndung ausgeschriebene Aktivist Ali Haydar Keleş wurde nicht angetroffen.

Nach landesweiten Hausdurchsuchungen im Rahmen einer Festnahmeoperation ist am Dienstag auch der Provinzverband der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP) im westtürkischen Izmir gestürmt worden. Der zur Fahndung ausgeschriebene ESP-Aktivist Ali Haydar Keleş wurde nicht angetroffen. Andere Anwesende sind von der Polizei einer GBT-Abfrage ihrer staatlich gespeicherten Daten unterzogen worden und durften nach Angaben der HDP-Abgeordneten Gülistan Kılıç Koçyiğit das Gebäude mehrere Stunden lang nicht verlassen.

Am Morgen war es bereits in insgesamt sieben verschiedenen Provinzen zu Razzien bei ESP-Mitgliedern gekommen. Vierzehn Personen, darunter die frühere ESP-Vorsitzende Çiçek Otlu, die aktuell im Exekutivrat der Partei sitzt und erst seit vergangenem September nach zwei Jahren Untersuchungshaft wieder auf freiem Fuß ist, sowie Sedat Şenoğlu, Mitglied im ESP-Parteirat und Ko-Sprecher des Demokratischen Kongresses der Völker (HDK), sind festgenommen worden. Nach drei weiteren Personen wird weiter gefahndet.

Die ESP bezeichnete das Vorgehen der türkischen Sicherheitsbehörden gegen ihre Mitglieder als „politischen Vernichtungsfeldzug“. Die Partei stuft sich als revolutionäre Massenpartei der Proletarier*innen, Frauen, Jugendlichen, Land- und Stadtarbeiter*innen, Intellektuellen und Künstler*innen, Armen, Behinderten sowie politisch, ökonomisch und sozial Unterdrückten ein. In einer Stellungnahme zur Festnahmeoperation heißt es: „Die Maßnahme ist Teil der anhaltenden Angriffe auf die organisierten Kräfte der Arbeiterklasse und Benachteiligten. Sie wollen das Volk verstummt, reaktionslos und passiv sehen. Dafür sollen die Pionier*innen der Kämpfe gegen die Unterdrückung zum Schweigen gebracht werden.“ Die öffentliche Abgabe einer Presseerklärung zur Repression gegen die ESP auf der Kıbrıs Şehitleri Caddesi im Bezirk Alsancak wurde polizeilich verboten.

Sozialistische Partei der Unterdrückten

Die ESP (türk. Ezilenlerin Sosyalist Partisi, kurd. Partiya Sosyalîst a Bindestan) wurde 2010 gegründet. Zu ihren Gründungsmitgliedern gehört unter anderem Figen Yüksekdağ, die bis September 2014 ESP-Vorsitzende war. Nach der Niederlegung ihres Amtes trat Yüksekdağ zur HDP über, kurz danach schloss sich die ESP der als Dachpartei mehrerer Kleinparteien fungierenden HDP an. Auf dem zweiten HDP-Parteikongress wurde Figen Yüksekdağ am 22. Juni 2014 zur Ko-Vorsitzenden gewählt. Zeitgleich mit Selahattin Demirtaş und zahlreichen weiteren HDP-Abgeordneten wurde sie am 4. November 2016 auf Betreiben des türkischen Präsidenten Erdoğan verhaftet.

Auf die Jugendorganisation der ESP, die Föderation Sozialistischer Jugendvereine (SGDF), wurde am 20. Juli 2015 ein Bombenattentat verübt. Bei dem IS-Anschlag in Pirsûs (Suruç) in der nordkurdischen Provinz Riha (Urfa) kamen 33 hauptsächlich junge Menschen ums Leben. Die Aktivist*innen hatten sich im Kulturzentrum Amara versammelt und wollten vor ihrer Abreise nach Kobanê eine Pressekonferenz abhalten. Die geplante Fahrt nach Kobanê sollte ein Akt der Solidarität sein. Die Jugendlichen wollten Kinderspielzeug und humanitäre Hilfsgüter in die vom IS zerstörte Stadt bringen. 104 weitere Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt.