Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg hat am Donnerstag der Prozess gegen die IS-Rückkehrerin Stefanie A. begonnen. Die Bundesanwaltschaft wirft der 44-jährigen Deutschen aus dem schleswig-holsteinischen Bad Oldesloe unter anderem die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in mehreren Fällen und Kriegsverbrechen vor. Weitere Anklagepunkte sind die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht sowie fahrlässige Tötung.
Stefanie A. soll im Sommer 2016 mit ihrem damals noch 13-jährigen Sohn nach Syrien gereist sein und sich der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) angeschlossen haben. Am 23. Februar 2018 kam der Sohn bei einem Bombenangriff ums Leben. Der Familienvater soll bereits 2015 als Söldner zum IS nach Syrien gegangen sein.
In Raqqa gab Stefanie A. den gemeinsamen Sohn zur religiös-ideologischen und militärischen Ausbildung an die IS-nahe Söldnertruppe „Jund al-Aqsa“. Später wurde der Jugendliche vom IS rekrutiert und bei Kriegshandlungen eingesetzt. Nach dessen Tod habe die Angeklagte ihren älteren Sohn in Deutschland aufgefordert, er solle sich über den „Märtyrertod“ seines Bruders freuen.
Anwalt: Mandantin wollte „nur“ mit Mann zusammenleben
Bereits beim ersten Verhandlungstag zeichnete sich ab, was vermutlich einer der größeren Streitpunkte zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung sein wird. Stefanie A. selbst äußerte sich beim Prozessauftakt vor einem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts zunächst nicht. Ihr Verteidiger Martin Heising widersprach in seiner Eröffnungserklärung den Schlussfolgerungen der Bundesanwaltschaft aus der Aktenlage. Seine Mandantin sei keine „Terroristin hochideologisierter Art“ gewesen. Sie habe lediglich mit ihrem Mann, mit dem sie damals schon 25 Jahre verheiratet gewesen sei, zusammenleben wollen. Auch dass Stefanie A. stolz gewesen sei, als ihr Sohn als „Märtyrer“ starb, versucht die Verteidigung zu relativieren. Heising argumentiert, dass Mutter und Sohn bei der Ankunft getrennt werden mussten, die Angeklagte angeblich in Frauenhäusern unterkam und der Sohn zur Schule gegangen sei, nicht zur Rekrutenausbildung. Weiterhin sei der Sohn nicht in einem Gefecht gefallen, sondern als er in einem bombardierten Nachbarhaus Hilfe leisten wollte. Dies falle ebenfalls unter die Definition von „Märtyrer“.
Dem IS bis zuletzt treu
Stefanie A. und ihr Ehemann hielten dem IS bis zuletzt die Treue und ergaben sich den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) erst im Februar 2019 in der letzten IS-Enklave Hajin. Von dort aus kam sie in das Auffang- und Internierungslager Hol bei Hesekê, aus dem sie Ende 2020 oder Anfang 2021 allerdings Richtung Türkei flüchten konnte. Am 24. März 2021 wurde die Angeklagte nach Deutschland überstellt, wo sie bei ihrer Ankunft in Berlin festgenommen und in Untersuchungshaft genommen wurde. Über das Schicksal ihres Mannes ist nichts bekannt. Es wird angenommen, dass er sich in einem Gefängnis in Nordostsyrien befindet.
Prozessauftakt wegen Corona-Verdacht verschoben
Der Prozess gegen Stefanie A. sollte eigentlich am Mittwoch beginnen. Wegen eines Corona-Verdachtsfalls wurde er um einen Tag verschoben. Nach Angaben eines Gerichtssprechers habe sich der Test aber als negativ herausgestellt. Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt.