Prozess wegen Flughafenblockade: Landgericht bestätigt Freispruch

Das Landgericht Münster hat einen Beteiligten einer Flughafenblockade gegen den türkischen Angriffskrieg in Rojava vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen. Damit bestätigte die Kammer ein gleich lautendes Urteil in erster Instanz.

Das Landgericht Münster hat einen Beteiligten einer Flughafenblockade gegen den türkischen Angriffskrieg in Rojava vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen. Damit bestätigte die Kammer ein gleich lautendes Urteil des Amtsgerichts Steinfurt in erster Instanz. Das von einer Verantwortlichen des Flughafens Münster/Osnabrück (FMO) im Herbst 2019 ausgesprochene Hausverbot sei unverhältnismäßig und eindeutig rechtswidrig gewesen, urteilte das Gericht. Der FMO als staatliches Unternehmen sei an die Grundrechte, im konkreten Fall Artikel 8 des Grundgesetzes (Versammlungsfreiheit), gebunden. Das bedeutet, dass Demonstrationen im öffentlichen Bereich des Flughafens grundsätzlich zulässig sind. Diesbezüglich hat es bereits im Jahr 2011 eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben.

Was war geschehen?

Am 7. November 2019 demonstrierten etwa 20 Personen im Flughafen Münster-Osnabrück vor dem Abfertigungsschalter der türkischen Airline Sun Express. Die Demonstrierenden wandten sich gegen die aktuelle Politik der türkischen Regierung, die im Norden Syriens völkerrechtswidrig gegen die dortige Autonomieverwaltung vorgeht. Die türkische Armee und mit ihr verbündete islamistische Gruppen hatten einige Wochen zuvor in Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) eine Invasion gestartet, in deren Verlauf beide Städte von der Türkei besetzt wurden. Direkt vor der Grenze der Türkei eine Selbstverwaltung, in der verschiedene Volksgruppen gleichberechtigt zusammenleben? Die türkische Regierung will dies nicht hinnehmen und sieht darin eine große Gefahr für ihre nationalistische Politik. Die Intervention der Türkei in Nordsyrien dauert bis heute an.

Die Fluggesellschaft Sunexpress, die vom FMO aus operiert, ist ein Tochterunternehmen des türkischen Staates, sie gehört zu 50 Prozent der Lufthansagruppe und zu 50 Prozent Turkish Airlines, der halbstaatlichen türkischen Fluggesellschaft. Am Geschäft dieser Fluggesellschaft verdient also der türkische Staat mit und am Tourismus in die Türkei sowieso. Deshalb sollten die Reisenden darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein paar Hundert Kilometer von ihren Strandhotels entfernt die Armee ihres türkischen Urlaubslandes Krieg führt.

Die Demonstrierenden beendeten ihre Kundgebung nach etwa einer Stunde freiwillig - die Reisenden wurde über andere Schalter (am FMO sind bekanntlich sehr selten alle Schalter ausgelastet) abgefertigt und die Reisenden erreichten ohne Verzögerung ihr Ziel. Die Geschäftsführung des FMO hat damals weder das Gespräch mit den Beteiligten gesucht noch erläutert, warum der FMO ausgerechnet mit einer solchen Fluggesellschaft Geschäfte macht. Sie hat vielmehr ein Hausverbot ausgesprochen und die Polizei gerufen. Die konnte dann nur noch die Personalien der Versammlungsteilnehmenden feststellen. Danach stellte die Geschäftsführung des FMO einen Strafantrag und verlangte damit, dass alle Beteiligten an der friedlichen Demonstration wegen Hausfriedensbruch bestraft werden sollen. Mit dem Freispruch in beiden Instanzen ist sie damit nun vollständig gescheitert. Denn es wäre durchaus möglich gewesen, dass die recht kleine Kundgebung im Terminalgelände stattfindet und die Passagiere an einem anderen Schalter abgefertigt werden.

Perspektive Rojava: Heftige Klatsche

Die „Perspektive Rojava-Solidaritätskomitee Münster“ zeigt sich erfreut über die „heftige Klatsche” gegen den FMO. „Dabei zeichnete sich die Verhandlung vor dem Landgericht Münster noch dadurch aus, dass die FMO-Betriebsleiterin sich mit ihrer Aussage in völligen Widerspruch zur Aussage des Polizeizeugen setzte. Selbst der anwesende Staatsanwalt beantragte schließlich Freispruch, weil auch er das Hausverbot für rechtswidrig hielt”, erklärt Thomas Siepelmeyer für das Solidaritätskomitee, das verschiedene Münsteraner Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen, welche die Revolution in Rojava solidarisch unterstützen, unter seinem Dach vereint. Das Bündnis verlangt jetzt von den Kreis- und Stadträten als Verantwortliche für den FMO, das Verhalten der Geschäftsführung und der Betriebsleitung untersuchen. „Wir wollen, dass die für diesen Anschlag auf die demokratischen Rechte Verantwortlichen entlassen werden.”

CDU-Fraktionen befürworten Handeln von FMO und Behörden

Bisher hätten sich nur wenige Mitglieder der regionalen Kreis- und Stadträte zu dem Vorfall geäußert und den Versuch der FMO-Geschäftsführung, grundlegende demokratische Rechte zu beschneiden, verurteilt. „Einige, insbesonders aus den CDU-Fraktionen, haben im Gegenteil das Vorgehen des FMO und der Staatsanwaltschaft ausdrücklich befürwortet. Der Flughafen ist zu über 35 Prozent im Eigentum der Stadtwerke Münster, die weiteren 65 Prozent liegen bei anderen Kreis- und Stadträten der Region Münsterland – Emsland sowie der IHK und HWK und deshalb sind all diese Räte und Institutionen für das Handeln dieses Unternehmens verantwortlich”, sagt Siepelmeyer.

Der Rat der Stadt Münster, Oberbürgermeister Markus Lewe als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des FMO sowie alle anderen beteiligten Räte und verantwortlichen Personen hätten durch ihr Nichthandeln zweierlei deutlich gemacht, unterstreicht das Bündnis: „Die Geschäftsverbindungen des FMO mit einem türkischen Staatsunternehmen gehen über alle Erwägungen von ‚Demokratie und Menschenrechten weltweit’, die diese Damen und Herren so gerne im Munde führen; und für die Verteidigung dieser Geschäftsbeziehungen sind sie bereit, selbst grundlegende Urteile des höchsten deutschen Gerichts offen zu missachten und zu versuchen, die verbürgten Grundrechte der Menschen in diesem Land wie das Demonstrations- und Versammlungsrecht mit Füßen zu treten.”