Europaweit Proteste nach Festnahmewelle gegen ESP
In Deutschland, Frankreich und der Schweiz ist gegen die Festnahmeoperation gegen Mitglieder der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP) in der Türkei protestiert worden.
In Deutschland, Frankreich und der Schweiz ist gegen die Festnahmeoperation gegen Mitglieder der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP) in der Türkei protestiert worden.
Die Repressionswelle gegen die Sozialistische Partei der Unterdrückten (ESP) in der Türkei ruft auch in Europa Proteste auf den Plan. Am Dienstag waren bei landesweiten Razzien vierzehn Aktivist*innen aus dem Umfeld der linken Partei festgenommen worden. Unter ihnen befinden sich auch die frühere ESP-Vorsitzende Çiçek Otlu, die aktuell im Exekutivrat der Partei sitzt und erst seit vergangenem September nach zwei Jahren Untersuchungshaft wieder auf freiem Fuß ist, sowie Sedat Şenoğlu, Mitglied im ESP-Parteirat und Ko-Sprecher des Demokratischen Kongresses der Völker (HDK). Nach drei weiteren Personen wird weiterhin gefahndet. Was den Betroffenen zur Last gelegt wird, ist unterdessen unklar.
Bundesweite Aktionen in Solidarität mit der ESP
In mehreren deutschen Städten, unter anderem in Berlin, Hamburg, Duisburg, Köln, Stuttgart und Frankfurt am Main, gingen gestern zahlreiche Menschen auf die Straße, um ihre Solidarität mit der ESP zum Ausdruck zu bringen. Zu den Aktionen hatten linke Organisationen wie Young Struggle, SKB und Agif, ADHK, ATIK, Kommunistischer Aufbau und die Proletarische Jugend Hamburg sowie die Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentren aufgerufen.
Baki Selçuk, Ko-Vorsitzender von AvEG-Kon (Konföderation der unterdrückten Migrant*innen in Europa), erklärte in Berlin: „Die ESP kämpft für eine würdige Zukunft der Jugend und gegen die Invasion in Rojava, die Invasionsangriffe auf Südkurdistan und die Verfolgung in Nordkurdistan. Wie in der Vergangenheit werden diese Angriffe und Inhaftierungen die Sozialist*innen jedoch nicht zum Schweigen bringen.“ Ein weiterer Vertreter von AvEG-KON sagte: „Wir werden diese Aggression überwinden, den gemeinsamen Kampf verstärken und den Faschismus auf den Müllhaufen der Geschichte befördern.“
Protest in Lausanne
Auch in Lausanne gingen Linke aus der Türkei und Kurdistan sowie solidarische Menschen gemeinsam gegen die Repression des AKP/MHP-Regimes auf die Straße. Der Ko-Vorsitzende der Föderation der migrantischen Arbeiter in der Türkei (AGIF), Ali Orak, erklärte gegenüber ANF: „Die Aggression des türkischen Faschismus kennt keine Grenzen. Während einerseits seine Angriffe auf das kurdische Volk andauern, werden nun auch Sozialisten und Revolutionäre mit Razzien, Festnahmen und Verhaftungen überzogen. Wir wissen, dass sich kein Sozialist, kein Revolutionär gebeugt hat und wir werden auch heute unseren Kampf mit der gleichen Entschlossenheit fortsetzen. Wo auch immer wir auf der Welt sein mögen, wir werden weiter für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen. Die Repression kann uns nicht erschüttern.“
Paris: „Freiheit für die Festgenommenen“
In Paris riefen die linken Verbände ACTIT (Kulturvereine der migrantischen Arbeiter aus der Türkei) und der Sozialistische Frauenverband (SKB) zu Protesten auf. Sie forderten auf Transparenten die Freilassung der Gefangenen und bekundeten ihre Solidarität mit der ESP. Eine Vertreterin des SKB erklärte: „Während die Frauenproteste gegen die Versuche der türkischen Regierung, die Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen zu annullieren, weiterlaufen, werden sozialistische Frauen gezielt vom Regime angegriffen. Bei diesem Angriff geht es darum, den Frauenkampf zu unterbinden. Aber die revolutionären Sozialist*innen haben schon viele Opfer für ihren Kampf um ein freies Leben in Kauf genommen und werden ihn mit großer Entschlossenheit fortsetzen und ausweiten.“
Sozialistische Partei der Unterdrückten
Die ESP (türk. Ezilenlerin Sosyalist Partisi, kurd. Partiya Sosyalîst a Bindestan) wurde 2010 gegründet. Zu ihren Gründungsmitgliedern gehört unter anderem Figen Yüksekdağ, die bis September 2014 ESP-Vorsitzende war. Nach der Niederlegung ihres Amtes trat Yüksekdağ zur HDP über, kurz danach schloss sich die ESP der als Dachpartei mehrerer Kleinparteien fungierenden HDP an. Auf dem zweiten HDP-Parteikongress wurde Figen Yüksekdağ am 22. Juni 2014 zur Ko-Vorsitzenden gewählt. Zeitgleich mit Selahattin Demirtaş und zahlreichen weiteren HDP-Abgeordneten wurde sie am 4. November 2016 auf Betreiben des türkischen Präsidenten Erdoğan verhaftet.
Auf die Jugendorganisation der ESP, die Föderation Sozialistischer Jugendvereine (SGDF), wurde am 20. Juli 2015 ein Bombenattentat verübt. Bei dem IS-Anschlag in Pirsûs (Suruç) in der nordkurdischen Provinz Riha (Urfa) kamen 33 hauptsächlich junge Menschen ums Leben. Die Aktivist*innen hatten sich im Kulturzentrum Amara versammelt und wollten vor ihrer Abreise nach Kobanê eine Pressekonferenz abhalten. Die geplante Fahrt nach Kobanê sollte ein Akt der Solidarität sein. Die Jugendlichen wollten Kinderspielzeug und humanitäre Hilfsgüter in die vom IS zerstörte Stadt bringen. 104 weitere Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt.