Proteste gegen Şengal-Angriff in Berlin, Bremen und Bielefeld

In Berlin, Bremen und Bielefeld ist gegen den tödlichen Anschlag des türkischen Staates in Şengal protestiert worden. Bei dem Drohnenangriff vom Montag kamen ein Kommandant und ein Kämpfer der ezidischen Widerstandseinheiten YBŞ ums Leben.

In Berlin, Bremen und Bielefeld ist gegen das mörderische Vorgehen der Türkei gegen die ezidische Gemeinschaft in Şengal protestiert und ein offizieller Status für die Region gefordert worden. Hintergrund ist der tödliche Anschlag vom Montag, bei dem der YBŞ-Kommandant Seîd Hesen (Saeed Hassan) und dessen Neffe, der YBŞ-Kämpfer Îsa Xwedêda, getötet wurden. Drei weitere Personen wurden verletzt.

Die ezidische Community sieht den Angriff als Fortsetzung des Genozids der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) in Şengal. Der Tod von Seîd Hesen löste dort tiefste Betroffenheit und Trauer aus, da er besonders nach dem Völkermord 2014 beim Aufbau von autonomen Strukturen und der Selbstverteidigung der ezidischen Gesellschaft in der Region eine bedeutende Rolle eingenommen hatte. Auch in Deutschland lebende Ezidinnen und Eziden sind bestürzt. „Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, ihre Unterstützung des faschistischen Regimes von Recep Tayyip Erdogan sofort zu beenden“, betonte eine Rednerin auf der von den ezidischen Organisationen HCÊ, SMJÊ und NAV-YEK sowie dem Kurdistan-Zentrum organisierten Kundgebung vor dem Bielefelder Hauptbahnhof.

Der Schulterschluss der Bundesregierung hätte eine „entscheidende Wirkung“ auf die antikurdische Verfolgungs- und Vernichtungspolitik in Ankara, hieß es weiter. Andere Redner:innen kritisierten die deutsche Rüstungspolitik, die Verbrechen wie den jüngsten Drohnenangriff mit Waffenlieferungen unterstütze und damit eine klare Verantwortung an Krieg, Tod und der daraus resultierenden Flucht trage. Die Kriminalisierung der Kurd:innen hierzulande durch deutsche Sicherheitsbehörden wurde ebenfalls benannt. „Ein neues 2014 darf nicht zugelassen werden“, hieß es abschließend in einem Appell.

Westen duldet Völkerrechtsbrücke der Türkei

In Berlin trafen ein paar Dutzend Menschen am Alexanderplatz zum Protest ein. Es wurde eine Erklärung ezidischer Verbände verlesen, in der der Anschlag von Şengal als „Angriff auf das Existenz- und Selbstbestimmungsrecht“ der Ezid:innen bezeichnet und Autonomie für die Region eingefordert wurde. In einem Klima aus Krieg und Zerstörung war nach dem Genozid in Şengal ein basisdemokratisches Projekt mit den Grundlagen der Demokratie, Frauenbefreiung und Ökologie aufgebaut worden, in dem die ezidische Gesellschaft sich selbst verwalten und verteidigen kann. Der türkische Staat greife diese Errungenschaften gezielt an und führe vom Westen geduldete völkerrechtswidrige Militäraktionen durch. Das dürfe nicht akzeptiert werden.

Kundgebung in Berlin

In Bremen, wo es eine größere ezidische Community gibt, brachten die Menschen ebenfalls ihre Wut und Trauer über den tödlichen Luftschlag in Şengal in ihren Worten zum Ausdruck. Als sei die leidvolle Erfahrung des letzten Fermans durch die Schergen des IS nicht schon genug, mache sich der türkische Staat zum wiederholten Mal nachträglich zur „Luftwaffe der Dschihadisten“, hieß es unter anderem. Dass die sogenannte westliche Wertegemeinschaft sich damit offensichtlich arrangieren könne, sei bezeichnend. „Wer schweigt, macht sich mitschuldig“, lautete die Botschaft an die Bundesregierung.