Der Prozess gegen den Polizisten, der 2019 bei einem Klimaprotest vor der Wiener Urania beinahe über den Kopf eines unter einem Polizeibus fixierten Aktivisten fuhr, ist mit der heutigen Gerichtsverhandlung beendet. Die eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung durch den Beamten wurden abgelehnt. Der zuständige Berufungssenat im Grauen Haus bestätigte das erstinstanzliche Urteil wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit.
Aus der Klimabewegung kommt heftige Kritik am Urteil der „fahrlässigen Gefährdung”. „Dass der Polizist, der mich fast absichtlich überfahren hat, mit einer kleinen Geldstrafe davonkommt, ist unfassbar,” so Anselm Schindler, der betroffene Aktivist. Videos beweisen, dass der Polizeibeamte sich zwei Mal mehrere Sekunden lang umblickte – er muss also gesehen haben, was passiert.
Wiens Vizepolizeipräsident Michael Lepuschitz hatte damals im ORF-Fernsehen behauptet, der Kopf von Schindler habe sich nicht unter dem Bus befunden. „Keinem Polizisten würde es einfallen, so etwas mit Absicht zu machen, wie es nun in sozialen Medien dargestellt wird. Solche Vorwürfe sind absurd”, erklärte er damals.
„Verharmlosende Urteile schützen gewalttätige Polizisten”
„Solche verharmlosenden Urteile schützen gewalttätige Polizisten. Was stattdessen geschützt werden sollte, ist das Klima und die Menschen, die dafür protestieren!” sagte Lucia Steinwender, Sprecherin der Klimaorganisation System Change not Climate Change. Neben Anselm Schindler kam es an dem Tag noch zu einigen weiteren schweren Gewalthandlungen gegen Aktivist:innen. Ein Betroffener berichtete bei der Kundgebung, die heute parallel zum Prozess vor dem Gericht stattfand, von der Gewalt gegen ihn. Die Polizeibeamten hatten ihm nach der Festnahme in die Nieren und in die Genitalien geschlagen und gegen seinen Kehlkopf gedrückt.
Anhaltende Gewalt gegen Klimagerechtigkeitsbewegung
Auch in den vergangenen Wochen kam es in Wien wieder zu Fällen von Polizeigewalt. Die Staatsmacht räumte zwei besetzte Baustellen. Dort hatten hunderte Klimaaktivist:innen für rund ein halbes Jahr die Bauarbeiten für den Ausbau von Autobahninfrastruktur blockiert „Dass die Polizei immer und immer wieder mit brutaler Gewalt gegen uns vorgeht, zeigt: Man will uns mit allen Mitteln davon abhalten, gegen die Klimazerstörung zu protestieren“, hob Lucia Steinwender hervor. „Dazu gehört auch die fehlende Aufklärung seitens Polizei, Justiz und Politik. Die von Amnesty International geforderte Einrichtung einer unabhängigen Ermittlungs- und Beschwerdestelle, die die Bundesregierung im Koalitionsabkommen versprochen hat, lässt bis heute auf sich warten.“
„Exekutive missachtet Gesetze und Rechte”
Bei den jüngsten Ereignissen um die Räumung des Lobau-Protestcamps kam es auch im Polizeianhaltezentrum (PAZ) zu massiver Gewalt durch Polizei und Justizwache. „Ein Aktivist wurde geschlagen, nach dem er auf sein Recht bestand. Zudem wurde uns gedroht, dass wir während der Haft kein Essen kriegen, das gesetzlich erlaubte Telefonat nicht führen dürfen oder länger in Haft bleiben, wenn wir dem Fotografieren des Gesichts nicht zustimmen. All das zeigt, dass bei der Exekutive die Gesetze und Rechte missachtet und mit Füßen getreten werden,” schildern die betroffenen Aktivist:innen in einer Stellungnahme. Auch bei der heutigen Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude berichtet eine Aktivistin von der Gewalt.
„Im Kapitalismus dienen die Behörden der Aufrechterhaltung einer Ordnung”
Von den Gerichtsverfahren aber erwarten sich die Aktivist:innen nicht viel. „Ich erwarte mir vom Gericht keine Gerechtigkeit“, erklärt Anselm Schindler nach dem heutigen Prozess. „Im Kapitalismus dienen die Behörden der Aufrechterhaltung einer Ordnung, die unsere Zukunft zerstört. Gerechtigkeit wird es erst geben, wenn wir uns zusammentun, um für eine Zukunft ohne Kapitalismus zu kämpfen.” Hoffnung gebe ihm die Solidarität innerhalb der Klimabewegung, erklärt Schindler. „Wir werden weiter für unsere Zukunft kämpfen. Und wir halten zusammen, gemeinsam sind wir stärker als die Repression“.