Die Fassungslosigkeit war groß nach der Festnahme von Anselm Schindler am Rande einer Sitzblockade für eine Wende in der Klimapolitik im Mai 2019 in Wien. Der 30-Jährige beobachtete damals das Geschehen vor der Wiener Urania als freier Journalist. Als die Polizei anrückte, um den Protest aufzulösen, wurde Schindler aufgefordert, den Bürgersteig zu verlassen. Auf die Frage nach dem Grund reagierten die Beamten nur mit Gebrüll. Schindler setzte daraufhin ein paar Schritte, die Polizei machte dennoch weiter Druck. Als er versuchte wegzugehen, wurde er festgenommen.
Es war bereits das zweite Video bezüglich Polizeigewalt, das nach dem Klimastreik in Wien viral ging. Darin ist zu sehen, wie Schindler von zwei Beamten in Bauchlage so am Boden fixiert wird, dass sein Kopf unter einem Polizeibus liegt – knapp vor einem Hinterreifen. Als der Bus plötzlich anfährt, wird er in letzter Sekunde von den beiden Polizisten weggerissen.
Der bei der Festnahme führend involvierte Beamte wurde bereits im Juni wegen Amtsmissbrauchs und falscher Beweisaussage schuldig gesprochen und zu zwölf Monaten bedingt verurteilt. Seit September ist das Urteil rechtskräftig. Diesen Montag musste sich nun der Polizist an einem Bezirksgericht in der österreichischen Hauptstadt verantworten, der am Lenker des Busses saß. Ihm wird fahrlässige Gefährdung der körperlichen Sicherheit vorgeworfen, nicht vorsätzliche.
„Dass dem Fahrer Fahrlässigkeit vorgeworfen wird, setzt voraus, dass die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass er nicht wusste, dass ich neben dem Bus fixiert bin”, erklärte Schindler bereits im Vorfeld der Verhandlung. Das aber sei „absurd”, da auf Fotos zu sehen ist, wie er Richtung Rückspiegel blickt. Insofern mache die Anklage wegen Fahrlässigkeit klar, dass es der Staatsanwaltschaft um ein mildes Urteil gehe. Wundern tue es ihn nicht. „Eine harte Aufarbeitung von Polizeigewalt wird in diesem Land systematisch blockiert”, so Schindler.
„Kein einziges Mal gesehen“
Vor Gericht behauptete der angeklagte Polizist dann dennoch, Anselm Schindler „kein einziges Mal gesehen“ zu haben. Er habe die Vorgänge außerhalb des Wagens lediglich im „peripheren Sichtfeld“ wahrgenommen. Entschuldigen wollte er sich trotzdem bei Schindler, dieser lehnte aber mit Verweis auf die Ablehnung des Beamten einer diversionellen Einigung ab. Der Polizist wurde wegen „Gefährdung der körperlichen Sicherheit“ schuldig gesprochen und muss neben 2250 Euro Strafe auch hundert Euro an Schindler zahlen, weil dieser sich mit einem symbolischen Betrag als Privatbeteiligter dem Verfahren angeschlossen hat. Weitere Konsequenzen für den Polizisten gibt es nicht, der Mann bleibt im Amt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Staatsanwaltschaft und Verteidigung erbaten sich drei Tage Bedenkzeit.