Vier Jahre nach dem IS-Selbstmordanschlag in Pirsûs (Suruç, Provinz Riha/Urfa) sind Gedenkveranstaltungen in Istanbul und Ankara von der Polizei mit Gummigeschossen angegriffen worden. Der HDP-Abgeordnete Erol Katırcıoğlu musste wegen einer Bauchverletzung ins Krankenhaus gebracht werden.
Im Istanbuler Stadtteil Kadiköy führte die Initiative der „Pirsûs-Familien“ zunächst ihr monatliches Sit-in mit der Forderung nach Gerechtigkeit im Halitağa-Park durch. Anschließend bewegte sich die Menschenmenge, darunter auch Abgeordnete der HDP und CHP, Richtung Sürreya-Oper, um dort eine Erklärung abzugeben.
Die Polizei stellte sich dem Demonstrationszug in den Weg und ging gewalttätig gegen die HDP-Abgeordneten Erol Katırcıoğlu, Murat Çepni und Gülistan Kılıç Koçyiğit sowie den HDK-Sprecher Sedat Şenoğlu vor. Dabei kamen auch Gummigeschosse zum Einsatz. Erol Katırcıoğlu wurde am Bauch getroffen und wurde sofort ins Krankenhaus eingeliefert.
Festnahmen in Ankara
Auch in Ankara ging die Polizei gegen eine Gruppe vor, die auf dem Sakarya-Platz eine Erklärung abgeben wollte. Acht Personen wurden gewaltsam festgenommen. Während der polizeilichen Intervention riefen die Menschen: „Gerechtigkeit für Pirsûs, Gerechtigkeit für alle!“
Der IS-Anschlag von Pirsûs
Bei dem Anschlag am 20. Juli 2015 waren 33 hauptsächlich junge Menschen ums Leben gekommen, die sich auf Aufruf der Föderation der sozialistischen Jugendverbände (SGDF) auf dem Weg nach Kobanê befanden. Der von seinen Eltern als vermisst gemeldete und von der Polizei beobachtete Attentäter gehörte einer islamistischen Zelle aus Semsûr (Adıyaman) an, die auch für die Anschläge am 5. Juni 2015 in Amed (Diyarbakir) und am 10. Oktober 2015 in Ankara mit Hunderten Toten und Verletzten verantwortlich ist. Mehmet Yapalıal, damaliger Polizeipräsident von Suruç, hatte schon im Vorfeld nachrichtendienstliche Informationen zu dem Attentat erhalten. Am 16. Juni, also etwas mehr als einen Monat vor dem Anschlag, lag dem Ex-Polizeipräsidenten die Einstufung des späteren Attentäters als „aufgrund Terrorismusgefahr gesuchte Person“ vor. Gegen die drohende IS-Gefahr wurden dennoch keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Polizei zog es offenbar vor, das Attentat nicht zu verhindern und hinterher gegen die Überlebenden vorzugehen.