Ob das Regime von Recep Tayyip Erdoğan seine letzten Tage erlebt, war Thema einer Podiumsdiskussion am Donnerstagabend in der Universität Wien, die vom Rat der kurdischen Gesellschaft in Österreich (FEYKOM) veranstaltet wurde. Es sprachen unter anderem der Europaabgeordnete Andreas Schieder (SPÖ) und die Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne). Die Moderation übernahm Senol Akkilic von der Volkshilfe Wien.
Ziel des Podiumsgesprächs war es, den Fokus der Öffentlichkeit auf die in zwei Wochen stattfindenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei zu verlagern und Antworten auf die Frage zu diskutieren, wie der Umgang Österreichs und auch Europas mit den Kurdinnen und Kurden sein sollte. Nach einer Begrüßung durch die Moderation richtete sich die erste Frage an einen Aktivisten von FEYKOM: „Der 14. Mai sollte der letzte Tag von Erdoğan sein. Was bereitet dir Hoffnung und was passiert gerade in der Türkei?“
Die Tage des Regimes sind gezählt, hieß es von Seiten des Aktivisten. „Wir haben über 20 Jahre Erdogan an der Macht. Erdogan hat in seiner ersten Phase die Aufgabe gehabt, die Hegemonie in der Türkei zu bilden. Dann hat er sich offen gezeigt für einen demokratischen Prozess in der Türkei und in Kurdistan, für eine Friedensphase mit der kurdischen Seite und der PKK. In der Türkei gab es damals die Hoffnung, dass es mit Erdogan auch anders gehen kann und eine Veränderung möglich ist. Jetzt sind die Opposition und die Gesellschaft von Erdogan desillusioniert. Die Opposition hat sich zusammengeschlossen und sich auf einen Präsidentschaftskandidaten geeinigt, den CHP-Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu. Die Hauptsache ist, dass Erdoğan geht. Weil Kılıçdaroğlu auch von der HDP bzw. der Grünen Linkspartei unterstützt wird, halten wir eine Mehrheit für den Oppositionskandidaten für möglich.“ Für Erdoğan sei die Lage innen- und außenpolitisch so schlecht wie nie.
In der weiteren Diskussion ging es um das Verhältnis zwischen der Türkei und Österreich und um die kurdische Frage. Dabei wurde betont, dass ein Wechsel des Präsidenten für eine Veränderung in der Türkei nicht ausreiche und eine starke Opposition im Parlament notwendig sei, um Druck auf die Regierung auszuüben. Ein dringendes Problem seien die verhafteten Oppositionellen, die sofort freigelassen werden müssten.