PKK-Prozess: Kriminalisierung im Gegenzug zur Flüchtlingsabwehr?

Im Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Gökmen Ç. vor dem OLG Koblenz hat der Angeklagte die Frage aufgeworfen, ob die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung als Verhandlungsmasse in der Flüchtlingsabwehr benutzt wird.

Vor dem Oberlandgericht Koblenz ist der Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Gökmen Ç. fortgesetzt worden. Der 38-Jährige war Anfang des Jahres in Frankfurt am Main festgenommen worden und wird nach Paragraf 129a/b StGB der Mitgliedschaft in der PKK beschuldigt.

Laut Anklage soll er als hauptamtlicher Kader ab Ende 2017 unter dem Decknamen „Rojhat“ das PKK-Gebiet Saarbrücken geleitet haben und bis Juni 2019 für die Regionen Hessen beziehungsweise Rheinland-Pfalz verantwortlich gewesen sein. In dieser Funktion habe Gökmen Ç. Versammlungen, Veranstaltungen und Spendengeldsammlungen organisiert, propagandistische und finanzielle Angelegenheiten koordiniert oder andere Gebietsverantwortliche kontaktiert. Zudem sei er damit befasst gewesen, Kurdinnen und Kurden zur Teilnahme an kurdischen Großveranstaltungen wie dem alljährlichen Kulturfestival oder zum Newroz-Fest zu motivieren und deren Anreise zu ermöglichen. Eine individuelle Straftat wird Gökmen Ç. nicht vorgeworfen.

Der Prozess vor dem OLG Koblenz wurde am 20. Oktober eröffnet, bei der Verhandlung am 9. November gab der Angeklagte eine Erklärung ab. Darin stellte Gökmen Ç. fest, dass er als Kurde mit demokratischen und sozialen Wertvorstellungen aufgrund seiner politischen Tätigkeiten wegen der Unterstützung des kurdischen Befreiungskampfes angeklagt ist. Damit habe er keine persönlichen Zwecke verfolgt, vielmehr sei das Ziel seiner Aktivitäten gewesen, dass auch dem von einem physischen und kulturellen Genozid bedrohten kurdischen Volk ein gleichberechtigter Platz auf der Welt eingeräumt wird.

Gökmen Ç. wies darauf hin, dass die Hälfte der drei Millionen Kurdinnen und Kurden in Europa in Deutschland lebt. Zwischen Deutschland und der Türkei bestehe seit 120 Jahren eine auf gegenseitigen Interessen basierende Partnerschaft, die auch heute noch dazu führe, dass die Bundesregierung die Kriegs- und Menschheitsverbrechen des türkischen Staates nicht verurteile und den kurdischen Widerstand gegen den Faschismus als Terrorismus einordne. Die Öffentlichkeit in Deutschland und weltweit wisse jedoch, dass die Kurden im Recht seien.

In seiner Erklärung ging Gökmen Ç. auch auf seine Verhaftung ein. Der Haftbefehl sei ausgerechnet am 27. November, dem Gründungstag der PKK, erlassen worden. Nach seiner Verhaftung am 2. Januar sei Bundeskanzlerin Merkel in die Türkei gereist, um über den Flüchtlingspakt zu sprechen, so Gökmen Ç.: „Danach wurde Deutschland in den türkischen Medien für den Antiterrorkampf gelobt. Handelt es sich dabei um einen Zufall und werden tatsächlich Verfahren wie dieses als Verhandlungsbasis in der Flüchtlingsabwehr benutzt? Steht der türkische Staat, der MIT hinter meiner Festnahme? Wurde der Türkei damit etwas signalisiert?“

Gökmen Ç. schilderte in seiner Erklärung ausführlich die von Massakern und Unterdrückung geprägte Geschichte Kurdistans und die Entwicklung der kurdischen Befreiungsbewegung. Wenn die Bundesrepublik an die Menschen in der Türkei denken würde und etwas zur Lösung des Problems beitragen wolle, müsse sie ihre wirtschaftlichen und politischen Möglichkeiten für eine Demokratisierung der Türkei einsetzen, anstatt die Kurden zu kriminalisieren: „Die Kurden kämpfen für ihre Freiheit und gegen faschistische Regime wie das von Assad, Erdogan oder im Iran. Aus diesem Grund werden sie des Terrorismus bezichtigt. Das können weder ich noch das kurdische Volk akzeptieren.“ Er selbst habe den kurdischen Kampf mit ganzer Kraft unterstützt.

Weitere Verhandlungstermine in dem Prozess vor dem OLG Koblenz, Regierungsstraße 7, sind um jeweils zehn Uhr am 16., 17., 23., 24. und 30. November angesetzt.