Die People‘s Bridge for International Solidarity and Support with Rojava hat angesichts der türkischen Besatzungsoffensive in Metîna zu Protesten aufgerufen. „Die Invasion der Medya-Verteidigungsgebiete verfolgt das Ziel, ganz Kurdistan unter koloniale Besatzung zu stellen und die Türkei spielt bei diesem Plan eine führende Rolle“, erklärte die Solidaritätsorganisation in einer Stellungnahme und forderte zu weltweitem Widerstand auf. „Wir müssen uns auch gegen die Unterstützung der NATO-Länder für die türkischen Besatzungsangriffe stellen. Es sind Staaten wie die USA, Deutschland oder Großbritannien, welche die Türkei diplomatisch, militärisch und wirtschaftlich unterstützen und somit grünes Licht für die Angriffe gegen Kurdistan geben.“ Gewerkschaften, Arbeiter:innen, Frauen, LGBTI*, Jugendliche und sämtliche fortschrittliche Bewegungen seien aufgefordert, sich zu vereinen und gegen die Angriffe auf die Straße zu gehen.
Am Sonntag hatten die Volksverteidigungskräfte (HPG) öffentlich gemacht, dass die Bergregion Metîna das erste Ziel der vom Erdoğan-Regime seit langem angekündigten Großinvasion gegen die PKK-Guerilla ist. Das Gebiet auf dem Territorium der Kurdistan-Region im Irak (KRI) werde seit Tagen pausenlos bombardiert – sowohl vom Boden als auch aus der Luft, hieß es in einer Erklärung. Die Taktik habe sich im Gegensatz zu vorherigen Operationen des türkischen Staates in der KRI aber geändert. Den HPG zufolge soll die Invasion nicht auf einen Schlag, sondern Schritt für Schritt ausgeweitet werden.
Metîna befindet sich in den von der kurdischen Befreiungsbewegung kontrollierten Medya-Verteidigungsgebieten, welche seit Jahren immer wieder Ziel des türkischen Staates sind. Die People‘s Bridge weist auf eine Erklärung Erdoğans vom 4. März hin, in der die Invasion angekündigt wurde. „Mit Gottes Segen werden wir in diesem Sommer auch die Frage unserer Grenzen zum Irak endgültig lösen.“ Der türkische Staatschef nannte keine Details, sondern erklärte, Ankara habe Vorbereitungen getroffen, „die denjenigen, die glauben, die Türkei mit einem Terrorstaat an ihrer Südgrenze in die Knie zwingen zu können, neue Albträume bescheren werden“. Man werde nicht aufhören, „die Bedingungen zu verschärfen, bis diejenigen, die die Entschlossenheit unseres Landes und unserer Nation, den Terrorismus zu bekämpfen, immer noch nicht verstehen können, diese Realität akzeptieren“. Das Ziel einer solchen Operation sei laut Erdoğan die Wiederaufnahme der türkischen Bemühungen zur Schaffung einer 30 Kilometer langen „Sicherheitszone“ entlang der Grenze zu Syrien.
„Zur Vorbereitung der jetzt begonnen Invasion in Südkurdistan hatte der türkische Staat die diplomatischen Beziehungen mit dem Irak gestärkt. Am 14. März traf sich eine türkische Delegation unter anderem aus Außenminister Hakan Fidan, Verteidigungsminister Yaşar Güler und Geheimdienstchef Ibrahim Kalin in Bagdad mit irakischen Offizieren. Am darauffolgenden Tag wurde die PKK durch den irakischen Staat ohne parlamentarische Zustimmung zu einer „verbotenen Organisation“ erklärt. An diesem Montag wird zudem erwartet, dass der türkische Präsident den Irak besuchen wird.
Mit der begonnen Invasion in Südkurdistan verfolgt der türkische Staat zum einen das Ziel, die kurdische Befreiungsbewegung innerhalb von Südkurdistan zu zerschlagen. Besonders sind die Medya-Verteidigungsgebiete strategisches Ziel der Türkei, da sie eine wichtige Basis für die kurdische Befreiungsbewegung darstellen. Darüber hinaus kam es hier in den letzten Monaten durch Aktionen und Offensiven der Guerilla zu schweren Verlusten in den Reihen der Besatzer. Die aktuelle Invasion ist daher auch als Rache an der Guerilla anzusehen. Aber auch die strategische Bedeutung der Medya-Verteidigungsgebiete macht es für den türkischen Staat notwendig, die Guerilla zu zerschlagen. Denn wenn dies gelingt, kann er seine Angriffe auf die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien intensivieren.
Der türkische Staat hat nicht nur ein militärisches Interesse daran, die Medya-Verteidigungsgebiete vollständig zu besetzen. Gleichzeitig spielen wirtschaftliche Interessen eine wichtige Rolle. Die Türkei beabsichtigt zusammen mit dem Irak, eine neue Handelsroute zu errichten. Die Handelsroute soll den Persischen Golf mit der Türkei verbinden und durch Nord- und Südkurdistan laufen. Die Existenz der Guerilla in Südkurdistan stellt bei diesem Vorhaben ein großes Problem dar. Aber auch in Nordkurdistan hat sich durch Manipulation bei den Kommunalwahlen und dem versuchten Wahlputsch in Wan gezeigt, dass die Türkei jegliche Gewinne der DEM-Partei als ein Problem ansieht. Neben der Handelsroute soll auch eine neue von der Türkei geplante Pipeline durch Nord- und Südkurdistan gehen.
Die nun eingeleitete Invasion müssen wir gleichzeitig als Antwort auf den Sieg der DEM-Partei und die Niederlage des AKP/MHP Regimes bei den Kommunalwahlen sehen. Denn trotz aufwendigen Wahlmanipulationen und dem Versuch, den Sieg der DEM in Wan abzuerkennen und stattdessen den AKP-Kandidaten zum Bürgermeister zu ernennen, gelang es, die Errungenschaften der DEM-Partei zu verteidigen. Mit der Invasion in Metîna will sich das faschistische AKP/MHP Regime zu Stabilität verhelfen und seine Existenz sichern. Die Kurd:innen und die kurdische Befreiungsbewegung werden als Feind dargestellt, gegen den sich die Türkei zur Wehr setze. Doch die Kommunalwahlen haben deutlich gezeigt, dass diese Spaltungs- und Ablenkungsmanöver ihre Wirkung langsam verlieren“, erklärte die People’s Bridge.
The People's Bridge for International Solidarity and Support with Rojava/North and East Syria
Die „Brücke der Völker“ für internationale Solidarität und Unterstützung mit Rojava bzw. der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien wurde im Mai 2023 von Kurd:innen und internationalistischen Menschen aus ganz Europa, hauptsächlich aber Deutschland, ins Leben gerufen. Die Organisation legt ihren Schwerpunkt auf den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit für Rojava, setzt gleichzeitig auch gesellschaftspolitische Projekte um, die wiederum den Menschen vor Ort zugutekommen. Eines dieser Projekte ist ein Film über das Leben der Kommunistin und Internationalistin Ivana Hoffmann, die 2014 nach Rojava ging und im Jahr darauf im Kampf gegen den IS in Til Temir ihr Leben verlor.
Titelfoto: Medienkollektiv Links Unten Göttingen