Oury Jalloh: Sonderbericht übernimmt Täterversionen

Ein Sonderbericht für den Landtag Sachsen-Anhalt sieht keine Ansatzpunkte für neue Mordermittlungen im Fall Oury Jalloh. Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" kritisiert die Auftragsstellung der Sonderberater als einseitig festgelegt.

Im Fall des vor 15 Jahren in einer Dessauer Polizeizelle gestorbenen Oury Jalloh sind erneut Vorwürfe gegen Polizei, Justiz und Regierung erhoben worden. In einem vom Landtag Sachsen-Anhalt in Auftrag gegebenen Sonderbericht heißt es, von Jallohs Festnahme bis zu seinem Tod sei so gut wie jede polizeiliche Maßnahme fehlerhaft oder rechtswidrig gewesen. Wären diese Fehler unterblieben, wäre Jalloh mit größter Wahrscheinlichkeit noch am Leben. Ansätze für neue Ermittlungen wegen Mordes sehen die Autoren des Berichts derzeit allerdings nicht.

Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" erklärt zu dem heute im Rechtsausschuss des Landtags vorgestellten Bericht: „Wie bereits in dem gesamten juristischen Verfahren festzustellen war, so ist auch die Auftragsstellung der Sonderberater von vornherein einseitig festgelegt: Sie übernehmen die Täterversionen, vernachlässigen den Korpsgeist und bestätigen richterliche und staatsanwaltliche Entscheidungen. Entgegen der vorliegenden Beweislage wollen auch sie keine weiteren Ermittlungsansätze erkennen können."

Den Einschätzungen der Berater stellt die Initiative mehrere Fakten entgegen:

Oury Jalloh hatte kein Zündmittel, um den Brand zu legen

Das Feuerzug, dass erst drei Tage nach dem Brand auftauchte, kann aufgrund der Spurenlage nicht am Tatort gewesen sein: Es enthält ausschließlich tatortfremde Fasern und DNA, die mit Sicherheit nicht von Oury Jalloh ist, sondern von einem Europäer stammt.

Die Staatsanwaltschaft Dessau hat sich bis zum Schluss geweigert die Spuren und Tierhaare, die ebenfalls mit dem Feuerzeug verschmolzen sind, zu untersuchen. Seit Jahren fordern wir im Namen der Familie Oury Jallohs die Herausgabe des Feuerzeuges, um diese Untersuchungen bei einem forensischen Biologen selbst in Auftrag geben zu können.

Oury Jalloh kann das Feuer nicht selbst gelegt haben

Oury Jalloh kann das Feuer nicht selbst gelegt haben, da die Rekonstruktion des Brandbildes nicht ohne die Verwendung von Brandbeschleunigern erreicht werden kann. Das hat sowohl das Brandgutachten des irischen Brandsachverständigen Maksim Smirnou im Jahr 2013 als auch das von der Staatsanwaltschaft Dessau in Auftrag gegeben Brandgutachten aus dem Jahr 2016 ergeben.

Nach Rücksprache mit mehreren Sachverständigen hatte der damalige leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann Ermittlungen wegen Mordes gegen zwei Polizisten des Reviers eingeleitet.

Ausblendung des Korpsgeistes innerhalb der Polizei

Unhinterfragt übernehmen die vom Landtag eingesetzten Sonderberater die Aussagen der Polizeibeamten und lassen klar erkennbare Widersprüche unberücksichtigt. Es ist eine Behauptung der Polizeibeamten, die bei der Ingewahrsamnahme dabei waren, dass er seinen Kopf gegen Tisch und Wand geschlagen hätte. Dabei negieren sie das fachradiologische Gutachten des Dr. Bodelle, der eindeutig einen Nasenbeinbruch, Schädelbruch und zwei gebrochene Rippen zu Lebzeiten des Oury Jallohs festgestellt hat.

Oury Jalloh wird erneut kriminalisiert

Die Initiative verurteilt außerdem die erneute Kriminalisierung von Oury Jalloh: „Es ist eine wiederholte Demütigung des Opfers und der Angehörigen. Die Art und Weise, in welcher die Sonderberater über das Opfer sprechen, ist unmenschlich und dient scheinbar dem Zweck einer nachträglichen Legitimierung der grausamen Folter durch die Polizeibeamten in rechtskonservativer Manier.“