Saruhan Oluç, Vizefraktionsvorsitzender der Demokratischen Partei der Völker (HDP), hat gegenüber ANF den gestrigen Repressionsschlag in der Türkei bewertet. Die HDP solle über Festnahmen und Verhaftungen handlungsunfähig gemacht, diese Strategie sei Teil des 2014 vom türkischen Sicherheitsrat beschlossenen Vernichtungskonzepts. Oluç erinnerte an die erfolglose Innen- und Außenpolitik der Regierung und erklärte, dass die AKP/MHP-Koalition am Ende ist.
„Diese Operation ist die Fortsetzung des Vernichtungsplans von 2014. Sie ist ein Schritt, um die HDP mit allen Bündnispartnern und Mitgliedsorganisationen von der politischen Bühne zu fegen“, sagte Oluç und wies darauf hin, dass es sich um die letzte Maßnahme innerhalb des Prozesses handelt, der mit der Verhaftung der HDP-Vorsitzenden und Abgeordneten im Jahr 2016 begonnen hat. Die Ermittlungen zu den Kobanê-Aufständen im Oktober 2014 hätten erst 2015 begonnen, so Oluç: „Bis heute ist nichts unternommen worden. Weil trotz aller Vernichtungsoperationen der Widerstand immer noch weiter geht, wird jetzt über einen Angriff auf die HDP versucht, den Zersetzungsplan umzusetzen.“
Viele Regierungsinitiativen seien in der letzten Zeit erfolglos verlaufen,, so der HDP-Politiker: „Im östlichen Mittelmeer wurde versucht, einen Zwischenfall zu provozieren. Dann musste die Regierung einen Schritt zurück machen und sich an den Verhandlungstisch setzen. Auch in der Ägäis wollte sie sich wichtig machen, das erwies sich als Pleite und es wurden Verhandlungen begonnen. Das Libyen-Abenteuer kommt zu keinem Ergebnis, im Gegenteil, das Kräftegleichgewicht hat sich verändert und die Regierung der Türkei sieht, dass ihre Pläne ins Leere laufen. Die Gesellschaft hat kein großes Interesse mehr daran, was die Regierung in Efrîn, Idlib oder Nordostsyrien tut oder vorhat. Da die Außenpolitik so erfolglos ist, bleibt der Regierung nur die Möglichkeit, im Inland die HDP, die Demokratiekräfte und alles Kurdische anzugreifen. Es wird ausprobiert, ob dieses Vorgehen greift.“
Die Regierung versuche damit, sich einige Tage länger auf den Beinen zu halten, so Oluç. Zur innenpolitischen Lage führte er aus: „Auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene findet eine schwere Krise statt. Die Lebenshaltungskosten sind sehr hoch. Die tatsächlichen Zahlen sind viel höher als die offiziell angegebenen. Es werden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen und die Arbeitslosenrate steigt. Ein Blick auf die makroökonomischen Daten zeigt einen ernsten wirtschaftlichen Abstieg. Um zu verhindern, das darüber gesprochen wird, wird versucht, eine bestimmte Atmosphäre herzustellen. Es wird davon ausgegangen, dass das über die Bemühungen gegen die Kurden und die HDP machbar ist. Die Gesellschaft wird mit Hassreden aufgeheizt und es wird ein Feindstrafrecht angewandt. Aber die Regierung wird endlich selbst einsehen müssen, dass sie am Ende des Weges angekommen ist.“
Oluç erinnerte daran, dass die Umfragewerte der Regierungskoalition stark gesunken sind. Weiter erklärte der HDP-Vizefraktionsvorsitzende: „Auch ein Blick auf die Demokratiekräfte in der Türkei zeigt, dass die gesellschaftliche und politische Opposition sich insbesondere gegen den jüngsten Vernichtungsfeldzug eindeutig positioniert. Das gilt sowohl für politische Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen als auch für Einzelpersonen. Inzwischen akzeptiert niemand mehr, dass die Kurden und die HDP zu Feinden erklärt und mit Hassreden überzogen werden. Wenn die Machthabenden auch diese Option verlieren, bleibt ihnen nichts mehr. Wir werden sie mit ihrer Unterdrückung und ihrer Rechtlosigkeit allein lassen. Wir werden auf jeden Fall gewinnen und bekommen, was wir wollen. Sie hingegen werden eine schwere Niederlage erleiden. Zu gegebener Zeit werden sie im Rahmen demokratischer Rechtsstandards für die Verletzung der Rechte und Freiheiten vor Gericht gestellt werden. Deshalb sagen wir: Der Kampf geht weiter.“