Festnahmewelle gegen HDP: 24-stündiges Anwaltsverbot angeordnet

Im Rahmen des politischen Vernichtungsfeldzugs gegen die HDP ist ein 24-stündiges Anwaltsverbot angeordnet worden. Über das Ermittlungsverfahren wurde eine viertägige Geheimhaltungsverfügung verhängt.

Im Rahmen des politischen Vernichtungsfeldzugs gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) ist ein 24-stündiges Anwaltsverbot angeordnet worden. Einen Tag lang wird den Festgenommenen somit der Zugang zu einem Rechtsbeistand verwehrt. Begründet wird die Maßnahme mit Verdunkelungsgefahr. Den Betroffenen, darunter amtierende und ehemalige Parlamentsabgeordnete sowie Bürgermeister, wird im Zusammenhang mit den Kobanê-Protesten im Oktober 2014 die versuchte „Zerstörung der Einheit und Integrität des Staates“, „Mord“, „Plünderung“, „Anstachelung zur Gewalt“ und „Freiheitsberaubung“ vorgeworfen.

Unter den zur Fahndung ausgeschriebenen Politikerinnen und Politikern befinden sich auch 24 Mitglieder des HDP-Exekutivrates vom Jahr 2014. In ihrem Fall wurde zudem eine viertägige Geheimhaltungsverfügung verhängt. Es handelt sich um Sirri Süreyya Önder, Nazmi Gür, Ayla Akat Ata, Emine Ayna, Emine Beyza Üstün, Bircan Yorulmaz, Bülent Barmaksız, Can Memiş, Dilek Yağlı, Gülfer Akkaya, Günay Kubilay, Zeki Çelik, Zeynep Karaman, Ali Ürküt, Altan Tan, Pervin Oduncu, Alp Altınörs, Berfin Özgü Köse, Cihan Erdal, Arife Köse, Ayhan Bilgen, Bayram Yılmaz, Ismail Şengül und Yurdusev Özsökmenler. Viele wurden bereits festgenommen.

HDP: Regierung verantwortlich für Vorfälle in 2014

Die HDP hat nach der Festnahmewelle eine außerordentliche Versammlung einberufen. Im Vorfeld hielt der Ko-Vorsitzende Mithat Sancar in der Parteizentrale in Ankara eine Pressekonferenz ab. „Je höher die Verluste der Regierung sind, desto aggressiver greift sie uns an“, sagte Sancar und nannte die Operation einen „Racheakt der Putschmentalität“. Nicht die HDP, sondern die Regierung sei für die Vorfälle im Herbst 2014 verantwortlich. „Trotz intensiver Bemühungen können seit sechs Jahren keine Beweise vorgelegt werden, die eine Verantwortung unserer Partei bei den Ereignissen vor sechs Jahren belegen würden.“ Die Kobanê-Proteste seien ohnehin nur ein Vorwand, die demokratische Opposition mundtot und handlungsunfähig zu machen, so Sancar.

Die Generalstaatsanwaltschaft Ankara führt die vor knapp einem Jahr eingeleiteten Ermittlungen unter dem Label „PKK/KCK-Operation“. Die erneute Verhaftung der ehemaligen HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş im September 2019 war auf Grundlage dieses Verfahrens erfolgt. 

Kobanê-Proteste

Am Abend des 6. Oktober 2014, nach 21 Tagen Widerstand der Verteidigungseinheiten YPG/YPJ sowie der Bevölkerung, war es der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) gelungen, ins Stadtzentrum der nordsyrischen Stadt Kobanê einzudringen. Angesichts der kritischen Situation hatte die HDP die Bevölkerung Nordkurdistans und der Türkei zu einem unbefristeten Protest gegen die AKP-Regierung aufgerufen, da diese ihre Unterstützung für den IS nicht beendete. Im Zuge dessen kam es in vielen Städten zu regelrechten Straßenschlachten zwischen türkischen Sicherheitskräften und den Protestierenden: Soldaten, Polizisten, Dorfschützer sowie Mitglieder und Anhänger der radikalislamistischen türkischen Hisbollah (Hizbullah) führten einen gemeinsamen Kampf gegen Kurd*innen, die sich an den Protesten beteiligten. Die Zahl der dabei getöteten Personen, bei denen es sich größtenteils um Teilnehmende des Aufstands handelte, schwankt zwischen 46 und 53.