OLG München verurteilt Tahir Köçer wegen Mitgliedschaft in der PKK - UPDATE

Der kurdische Politiker Tahir Köçer ist vor dem OLG München zu zwei Jahren und fünf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. AZADÎ kritisiert das Urteil, Rechtsanwalt Brenner spricht von politisch gewollter Kriminalisierung kurdischer Aktivisten.

Zwei Jahre und fünf Monate Haft für politische Arbeit

Am heutigen Freitag verurteilte das OLG München den kurdischen Politiker Tahir Köçer wegen Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass der 59-Jährige von Anfang Juli 2021 bis zu seiner Festnahme im Dezember 2022 PKK-Gebietsverantwortlicher im Raum Nürnberg sowie Regionsverantwortlicher für Bayern gewesen sei. Die Verurteilung wegen „mitgliedschaftlicher Betätigung in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ erfolgte nach §§129a/b StGB.

Am 22. Dezember 2022 durchsuchte die Polizei zwei Privatwohnungen und das Medya Volkshaus in Nürnberg sowie eine dritte Wohnung in Hannover. Dabei nahm sie Tahir Köçer in Nürnberg fest, der nach Eröffnung eines Haftbefehls durch den Ermittlungsrichter in Untersuchungshaft in der JVA München genommen wurde. Erst am 8. Januar diesen Jahres wurde vor dem OLG München die Hauptverhandlung gegen ihn eröffnet.

Tahir Köçer ist ehemaliger Ko-Vorsitzender der Konföderation der Gesellschaften Mesopotamiens in Deutschland (KON-MED), dem größten Dachverband kurdischer Organisationen in der Bundesrepublik, sowie Mitglied im Nationalkongress Kurdistan (KNK), dem kurdischen Exilparlament. Dadurch gehört er wohl zu den bekanntesten kurdischen Politiker:innen des Landes. Außerdem ist er Vater von fünf Kindern.

Rechtsanwalt Brenner: Politisch gewollte Kriminalisierung

Der Verteidiger Tahir Köçers, Rechtsanwalt Michael Brenner aus Nürnberg, bewertete die Entscheidung wie folgt: „Das heutige Urteil zeigt einmal mehr, dass die Gerichte nicht gewillt sind, an der strafrechtlichen Verfolgung kurdischer Aktivisten in Deutschland zu rütteln. Eine Verfolgung, die vor allem durch die Verfolgungsermächtigung des Bundesministeriums für Justiz möglich wird. Diese ist endlich von der Regierung aufzuheben und wenn das nicht geschieht, wäre es an den Gerichten, sich an diese nicht mehr gebunden zu sehen.“

Zur mündlichen Begründung des Urteils stellte Michael Brenner fest: „Die Verurteilung zu einer hohen Haftstrafe erfolgte, obwohl das Gericht nach Anträgen der Verteidigung und Erklärungen Herrn Köçers gezwungen war, sich auch mit dem Lebenslauf des Angeklagten auseinanderzusetzen. Seine Inhaftierung in der Türkei, die Folter, die er erleiden musste, die vielen durch den türkischen Staat ermordeten Familienangehörigen; all das wurde zwar in der Urteilsbegründung durch den Senat besonders hervorgehoben und strafmildernd berücksichtigt – dennoch bleibt unterm Strich die Verurteilung eines kurdischen Politikers zu fast zweieinhalb Jahren Haft für banale Dinge wie Spendensammeln, das Organisieren von Versammlungen oder das Schreiben von Berichten. Diese politisch gewollte Kriminalisierung ermöglichen der §129b StGB und die Verfolgungsermächtigung bezüglich der PKK.“

Demonstrant:innen forderten Freispruch


Vor dem Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße, in dem der Prozess stattfand, versammelten sich am Morgen Demonstrant:innen, die das Verfahren gegen Tahir Köçers verurteilten und einen Freispruch forderten. Die Ko-Vorsitzende von KON-MED, Ruken Akça, sagte auf der Kundgebung, dass viele Kurd:innen in Deutschland mit fadenscheinigen Vorwänden inhaftiert sind: „Wir betrachten das Urteil des Münchner Oberlandesgerichtes als politisch und parteiisch und wir protestieren dagegen. Wir werden unseren Kampf überall fortsetzen."

Bereits am Mittwochabend hatte eine Demonstration zur JVA München in der Stadelheimer Straße unter anderem für Tahir Köçers Freiheit stattgefunden.

AZADÎ: Jahrelange Haftstrafen für legale Tätigkeiten

Der Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. kritisierte die Verurteilung Tahir Köçers: „Sie ist ein Beispiel dafür, wie politisch engagierte Kurd:innen als vermeintliche Terrorist:innen verfolgt werden, bloß weil sie sich für die Belange der kurdischen Community in Deutschland und eine friedliche Lösung des Kurdistan-Konflikts in ihrer Heimat einsetzen. Individuelle Straftaten werden den Betroffenen gar nicht vorgeworfen. Aber weil sie ihre legalen Tätigkeiten als Mitglieder der PKK ausgeübt haben sollen, gehen sie für Jahre ins Gefängnis.“