Am 2. Mai beginnt vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München die Hauptverhandlung gegen den kurdischen Aktivisten Mirza B. Dem 36-Jährigen, der im Mai des vergangenen Jahres im Zuge einer Razzia in Nürnberg festgenommen wurde, wird die Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ gem. §§ 129a/b StGB vorgeworfen. Er soll seit Juni 2020 das „PKK-Gebiet“ Nürnberg verantwortlich geleitet haben und als Regionalleiter im Gebiet Bayern tätig gewesen sein. Individuelle Straftaten werden ihm nicht zur Last gelegt.
Die Hauptverhandlung beginnt am Montag, 2. Mai 2022, um 9.30 Uhr in Saal B-275 des OLG München in der Nymphenburger Straße 16. Ab 8.30 Uhr findet vor dem OLG eine Kundgebung unter dem Motto „Freiheit für alle politischen Gefangenen! Weg mit § 129 a/b - Unsere Solidarität gegen ihre Repression" statt.
Azadî: „Schreiendes Unrecht“
Der Rechtshilfefonds Azadî e.V. teilt anlässlich der Prozesseröffnung mit:
Weil alle Angeklagten in gleichgelagerten Verfahren für sämtliche Aktivitäten der kurdischen Guerilla HPG mitverantwortlich gemacht werden, auch wenn sie sich in Deutschland eigentlich legal politisch betätigen, geht es in den Verfahren immer um die zentrale Frage, ob den Kurdinnen und Kurden ein Recht auf Selbstverteidigung zusteht. Wird dies aktuell den Menschen in der Ukraine zugestanden, auch mit tatkräftiger militärischer Unterstützung der BRD, wird es den Kurd:innen generell abgesprochen. Und das angesichts eines bitteren, seit Jahrzehnten schwelenden Konfliktes, in dem die jeweiligen Regime in der Türkei das „Kurdenproblem“ mit militärischen Mitteln und einem brutalen Unterdrückungssystem glauben, lösen zu können. Aktuell führt das NATO-Land wieder völkerrechtswidrige Angriffskriege auf kurdische Gebiete im Nordirak und in Nordsyrien und scheut nicht davor zurück, auch verbotene chemische Kampfstoffe einzusetzen. Und behaupte niemand, die seit Mitte April andauernden schweren Bombardierungen seien „nur“ gegen Stellungen der kurdischen Volksverteidigungskräfte HPG gerichtet; in allen Kriegssituationen sind Zivilist:innen auch Opfer.
Es ist deshalb ein schreiendes Unrecht, dass die Verantwortlichen in Politik und Justiz ausgerechnet jene Menschen hier als „Terroristen“ kriminalisieren und verfolgen, die sich trotz häufig eigener schlimmer Erfahrungen auch im Exil für eine friedliche Konfliktlösung einsetzen.
Dass es auch eine andere Sichtweise gibt, hat das rechtskräftige Urteil des Kassationshofes in Belgien vom Januar 2020 in einem Verfahren gegen kurdische Politiker und Aktivisten gezeigt. Das höchste Gericht des Landes stellte klar, dass es sich bei der PKK nicht um eine terroristische Organisation handelt, sondern um eine bewaffnete Konfliktpartei gemäß dem internationalen Völkerrecht, weshalb die Antiterrorgesetzgebung nicht anwendbar sei.
Diese Diskussion muss wieder aufgegriffen werden, auch und gerade, weil die deutschen Gerichte – gestützt von der Politik - konträr zur Auffassung des Kassationshofes stehen und damit dem autoritären Regime in Ankara den Rücken stärken.
Stärken wir die angeklagten kurdischen Aktivisten. Sie brauchen unsere Unterstützung und Solidarität.