Offener Brief von NAV-DEM Hannover und Frauenrat Ronahî an UN

NAV-DEM Hannover und der Frauenrat Ronahî greifen die internationale Kampagne von Kurdish Human Rights Action Group in Südafrika und des Gewerkschaftsverbands COSATU auf und schreiben einen offenen Brief an UN-Generalsekretär António Guterres.

Das Demokratische Gesellschaftszentrum der Kurd*innen NAV-DEM Hannover und der Frauenrat Ronahî haben einen offenen Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, geschrieben. Darin drücken sie ihre Sorge um die weiteren Entwicklungen in Kurdistan, der Türkei und dem Mittleren Osten sowie um das Leben und die Gesundheit von Abdullah Öcalan aus. Mit dem Brief schließen sie sich der internationalen Kampagne der Kurdish Human Rights Action Group und des Gewerkschaftsverbands COSATU aus Südafrika an. Diese hatten Einzelpersonen und Organisationen dazu aufgerufen, dem UN-Generalsekretär Briefe und E-Mails zu schreiben, um auf die sich zuspitzenden Verhältnisse im Mittleren Osten aufmerksam zu machen und die Freiheit Abdullah Öcalans zu fordern.

NAV-DEM Hannover und der Frauenrat Ronahî fordern António Guterres auf, seine Möglichkeiten zu nutzen, um sich für die Freiheit Abdullah Öcalans und einen gerechten Frieden in Kurdistan einzusetzen. In dem offenen Brief der beiden Organisationen in Hannover heißt es:

Die Zeit ist reif: „Freiheit für Abdullah Öcalan – Für einen gerechten Frieden in der Türkei und im Mittleren Osten“

„Aus Sorge um unsere Verwandten und Freund*innen in Kurdistan und dem Mittleren Osten, aus Angst vor weiteren Kriegen, die unendliches menschliches Leid hervorbringen, obwohl sie verhindert werden könnten, aus Wut über die herrschenden Verhältnisse und im Wissen darüber, dass eine andere Welt durch eine andere Politik möglich wäre, wenden wir uns an Sie.

Die Innen- und Außenpolitik der Republik Türkei ist von Frauenfeindlichkeit, Rassismus und neoliberaler Ausbeutung geprägt. Der türkische Staat und sein Militär sind bekannt für systematische und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gegen religiöse Minderheiten wie Êzîd*innen, Christ*innen und Alevit*innen sowie gegen die Verteidiger*innen der Menschenrechte und der demokratischen Opposition, einschließlich derjenigen islamischen Glaubens. Die Türkei, ein UN-Mitgliedstaat, verletzt ihre internationalen Verpflichtungen vorsätzlich.

Allein im letzten Jahr haben viele internationale Organisationen, darunter das Europäische Parlament, der Europarat, der Europäische Rat, die NATO und die Arabische Liga sowie der UN-Menschenrechtsrat und internationale Menschenrechtsorganisationen Sondersitzungen abgehalten oder Berichte veröffentlicht, in denen sie zu Recht den demokratischen Rückschritt und die Menschenrechtsverletzungen der Türkei verurteilt haben.

Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben bewiesen, dass ohne die Lösung der kurdischen Frage viele der Probleme in der Türkei und im Mittleren Osten nicht gelöst werden können. Diese Probleme können aber nicht losgelöst von der Entwicklung in der Türkei, der gesamten Region und weltweit und der Rolle Abdullah Öcalans für eine Lösung betrachtet werden.

Abdullah Öcalan ist nicht nur eine starke Führungspersönlichkeit und ein Symbol für die Freiheit der Kurd*innen, er ist auch die einzige Person, die bisher ein umfassendes Programm vorgeschlagen hat, um nachhaltige Demokratisierung und gerechten Frieden in der Region zu erreichen. Gerade weil er der Garant für einen Frieden ist, kämpfen das kurdische Volk und seine Freund*innen auf der ganzen Welt seit seiner Entführung und Inhaftierung auf der Insel İmralı im Jahr 1999 dafür, seine Isolation und Inhaftierung zu beenden und gleichzeitig eine gerechte und politische Lösung der kurdischen Frage zu fördern.

Eine positive politische Annäherung an Abdullah Öcalan und seine Vorschläge würde die Lösungsgrundlage vieler Probleme in der Türkei und darüber hinaus mit sich bringen und den vielen verschiedenen Völkern der Region endlich ihren lang ersehnten Frieden bringen. Der sogenannte ‚Friedensprozess‘, die geführten Verhandlungen zwischen der Türkei, Öcalan und der PKK von 2012 bis 2015, denen Gespräche in Oslo vorangingen, zeigt, wie viel Ernsthaftigkeit die kurdische Seite mit Abdullah Öcalan als ihren Repräsentanten den geführten Verhandlungen beigemessen hat und darauf gehofft hatte, eine positive Entwicklung anstoßen zu können. Doch entschied sich die Türkei unter der Führung Tayyip Erdoğans dafür, diesen ‚Friedensprozess‘ abzubrechen, den Kurd*innen erneut den Krieg zu erklären und den Islamischen Staat logistische und materielle Hilfe zukommen zu lassen.

Heute wissen wir rückblickend, dass die Türkei unter Erdoğan an der Spitze des Staates eine eigene Agenda des Krieges verfolgt, nämlich die des İttihat ve Terakki, der politischen Strömung, die den Völkermord an den Armenier*innen verantwortete, und des Misak-ı Millî- Paktes, der die gesamte Region vom Mittelmeer bis China, vom Kaukasus bis zum Persischen Golf unter türkische Vorherrschaft stellen soll. In diesem Rahmen greift das Regime all jene an, die seinem Streben im Weg stehen, und besetzt ganze Regionen anderer Staaten. Die Türkei ist zu einer offen aggressiven Besatzungsmacht geworden und stellt eine Gefahr für den Weltfrieden dar, nicht zuletzt auch durch die Anschläge des Islamischen Staates in Europa, Asien und Afrika.

Als NAV-DEM Hannover – Demokratische Gesellschaftszentrum der Kurd*innen in Hannover e.V. vertreten wir Menschen aus allen vier Teilen und allen religiösen Gemeinschaften Kurdistans, die in Hannover leben. In der Region Hannover lebt z.B. eine der größten êzîdischen Communities in der Diaspora und viele Menschen, die vor dem Krieg in Rojava und Syrien geflohen sind, haben mittlerweile hier ein neues Zuhause gefunden.

Als Frauenrat Ronahî treten wir für die Selbstbestimmung der Frau und eine Befreiung aller Geschlechter vom Patriarchat ein. Wir haben uns bewusst nach der 2013 in Paris vom türkischen Geheimdienst ermordeten Leyla Ronahî Şaylemez benannt, um uns in die Tradition um Befreiung kämpfender Frauen zu stellen und keinen Femizid unbeantwortet zu lassen. Aufgrund der drohenden Gefahr einer neuen Invasion im nordirakischen Şengal, aufgrund des Vormarschs des Faschismus in der Türkei und der Region des Mittleren Ostens, aufgrund des tödlichen Schweigens der Weltöffentlichkeit sind wir als Kurd*innen in der Region Hannover zutiefst besorgt und fordern Sie daher auf, sich entschieden für die Freiheit Abdullah Öcalans und einen Frieden im Mittleren Osten einzusetzen.

Wir sprechen für alle unsere Mitglieder, wenn wir diese Sorge um das Leben Abdullah Öcalans ausdrücken. Ihm muss sein Recht auf gesundheitliche, psychische und physische Sicherheit sowie anwaltlichen Beistand gewährt werden. Unter dem AKP/MHP-Regime ist Abdullah Öcalans Leben gefährdet. Weil Abdullah Öcalans Freiheit ein Schlüssel für einen Frieden im Mittleren Osten ist, rufen wir bei unseren Protesten: ‚Freiheit für Öcalan! Frieden in Kurdistan!‘ Wir bitten Sie, sich dieser Forderung anzunehmen und sie mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen.”

NAV-DEM Hannover und der Frauenrat Ronahî rufen dazu auf, sich der Kampagne anzuschließen und an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zu schreiben.

Mr António Guterres
Secretary-General United Nations
UN Headquarters, S-3800
New York, NY 10017
USA

Email: [email protected]