Nürnberg: Freiheit für Öcalan – Solidarität mit dem Widerstand der Guerilla

Auf einer Kundgebung in Nürnberg zum Jahrestag der Verschleppung Abdullah Öcalans waren neben dem internationalen Komplott auch die aktuelle Invasion des türkischen Staates in Südkurdistan und die Solidarität mit dem Widerstand der Guerilla Thema.

Zusammen mit internationalen Freund*innen folgte das Medya Volkshaus dem Aufruf des kurdischen Dachverbands KON-MED und erinnerte an das internationale Komplott, das mit der Verschleppung des Repräsentanten der kurdischen Gesellschaft Abdullah Öcalan endete. Seit 22 Jahren lebt der Mitbegründer und Vorsitzende der PKK als politischer Gefangener des türkischen Staates isoliert auf der Gefängnisinsel İmralı.  Auf Plakaten und einem Büchertisch wurden im Herzen der fränkischen Metropole Kernaussagen von Öcalans Philosophie in die Öffentlichkeit gebracht.

Den Anfang der Redebeiträge machte ein Vertreter der Föderation der Gesellschaften Kurdistans Baden-Württemberg und Bayern (FCK) in kurdischer Sprache. Er betonte, der Widerstand, den ‚Rêber Apo‘ (Abdullah Öcalan) seit 22 Jahren gegen Isolation und Folter leistet, sei ein Vorbild für den Widerstand, zu dem alle aufgerufen sind, die sich für ein freies Leben einsetzen.

 

iL: Wir fordern die Freiheit des legitimen Vertreters der kurdischen Gesellschaft

Für die Interventionistische Linke (iL), die sich der von Kurdish Human Rights Action Group in Südafrika und der Gewerkschaftsverband COSATU initiierten Kampagne für die Freilassung von Abdullah Öcalan anschloss, erklärte ein Redner: „Wir fordern die Freiheit des legitimen Vertreters der kurdischen Gesellschaft – erst recht, weil der deutsche Staat ihn ‚verschwinden’ lassen will mit dem Verbot, sein Bild zu zeigen, seinen Namen zu nennen und seine Texte zu veröffentlichen. Außerdem fordern wir die Freilassung aller PKK-Gefangenen in der Türkei und Deutschland und die längst fällige Aufhebung des PKK-Verbots.“ Mit einem der wohl bekanntesten Zitate von Öcalan endete die Rede der iL: „Wenn du leben willst, dann lebe in Freiheit“. Der Sprecher appellierte: „Lasst uns diese Worte zum Anlass nehmen, nicht nur gemeinsam die Freilassung von Öcalan zu fordern, sondern betrachten wir das Zitat auch als tägliche Motivation: Wenn wir leben wollen, dann in Freiheit!“

Rote Hilfe: Solidarität mit dem bekanntesten politischen Gefangenen

Nach Redebeiträgen vom Medya Volkshaus und AGIF forderte ein Vertreter der Roten Hilfe die Solidarität mit dem wohl weltweit bekanntesten politischen Gefangenen, Abdullah Öcalan. Gleichermaßen zu unterstützen sei auch der Gefangenwiderstand - egal ob im Danni, Leipzig oder auf Imrali.

Als nächstes ergriff der Medienwissenschaftler und Aktivist Kerem Schamberger das Wort, dessen Rede wir in Auszügen hier wiedergeben: „Es ist kein Zufall, dass die Türkei am 22. Jahrestag der Inhaftierung von  Abdullah Öcalan diese Woche einen weiteren Angriffskrieg gegen Südkurdistan gestartet hat und derzeit versucht, mit hunderten Luftlandetruppen im Gare-Gebirge 70 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt Fuß zu fassen.

Für den jetzigen erneuten Krieg gibt es drei Gründe

Erstens agiert die Türkei mittlerweile als regional-imperialistischer Akteur. Nicht nur in Südkurdistan/Irak, sondern auch in Syrien, Libyen, im Mittelmeer und Armenien/Aserbaidschan. Es handelt sich dabei um ganz konkrete Pl#äne der Staatserweiterung. Man solle nicht glauben, dass sie sich aus Südkurdistan wieder so schnell zurückziehen werde. Das sieht man auch an den Gebieten, die sie in Syrien besetzt hält und immer weiter kolonisiert.

Zweitens aus innenpolitischen Gründen. Wir haben es auch in der Türkei mit einer multiplen Krise zu tun. Die Wirtschaftskrise hat sich mit der gesundheitspolitischen Krise verbunden, die Corona-Pandemie wütet schlimmer, als es die Regierungspropaganda glauben lässt. Hinzu kommen studentische Proteste, die das erste Mal seit längerer Zeit zeigen, dass es unter der jungen Generation eine starke Opposition zum AKP-Regime gibt. Durch solche Kriegseinsätze wie in Südkurdistan spielt die AKP gezielt die nationalistische Karte, damit auch die staatstragenden Teile der Opposition - namentlich CHP und IYI-Partei - in das nationalistische Kriegsgeheul mit einstimmen. Das ist gelungen. Meral Aksener (IYI) und Kemal Kilicdaroğlu haben ihre Solidarität mit der Armee und ihren Soldaten ausgesprochen. Die IYI-Partei Vorsitzende Aksener sagt, ihre Abgeordneten würden einem HDP-Verbot zustimmen, und die drei größten Fußballvereine haben sich bedingungslos an die Seite der türkischen Armee gestellt. Das Spiel der AKP geht auf. Teil dieses Krisenablenkungsmanövers ist ebenfalls die absurde Ankündigung Erdogans, dass die Türkei 2023 auf dem Mond landen wird. Man stellt sich die Frage, ob es auf dem Mond vielleicht Kurden gibt, wieso sonst sollte das AKP-Regime dort türkische Raketen hinschicken wollen?

Drittens wird dieser Krieg geführt, weil der Westen sein OK gegeben hat. Kriegsminister Hulusi Akar war vor elf Tagen in Berlin und hat dort über neue Rüstungsdeals und den Kampf gegen die Kurd*innen gesprochen – in der Regierungs-PR 'Kampf gegen den Terror' genannt. Es ging um die Aufrüstung von Drohnen und auch um grünes Licht der Bundesregierung für einen neuerlichen Angriff. Das hat übrigens System. Im Winter 2017/2018 gab es ebenfalls diplomatischen Besuch in Berlin/Ankara und kurz darauf marschierte die Türkei in Afrin ein. Bei den Neuwahlen 2015 besuchte sogar Angela Merkel Erdogan kurz davor und half ihm damit beim Wahlkampf.

Grünes Licht aus den USA

Und auch aus den USA gab es grünes Licht. Die US-Botschaft in Ankara tweetete ‚We stand by our Nato ally Turkey‘ und kondolierte für drei getötete türkische Soldaten, die bei eben jenem völkerrechtswidrigen Angriff der Türkei auf Südkurdistan getötet worden sind. Es liegt auch im Interesse der Biden-Regierung, dass die PKK geschwächt wird, denn ihr Ziel ist es, den revolutionären Einfluss der kurdischen Freiheitsbewegung auf Rojava zu minimieren, damit die US-Kräfte in Nordsyrien freier agieren können und der Nato-Partner Türkei beschwichtigt wird.

Deutsch-türkische Kriegskumpanei an die Öffentlichkeit bringen

Wir müssen hier unsere Solidarität mit der kurdischen Freiheitsbewegung, mit den Kräften des Friedens in der Türkei, etwa den protestierenden Studierenden zeigen und die deutsch-türkische Kriegskumpanei an die Öffentlichkeit bringen. Frieden kann es nur geben, wenn es Gespräche auf Augenhöhe gibt und dabei der Repräsentant der Freiheitsbewegung, Abdullah Öcalan, ein wichtiger Teil davon ist. Er muss freikommen, als Voraussetzung dafür, dass in der Region endlich die Grundlage für einen Frieden geschaffen wird.“

Briefe an die UN verschickt

Die Kundgebung endete mit Musik, lauten Parolen wie „Biji Berxwedana Zindana - Bijî Serok Apo“ und einem gemeinsamen Gang zum Postkasten, um die Briefe der Kampagne „Die Zeit ist reif: Freiheit für Abdullah Öcalan – Für einen gerechten Frieden in der Türkei” an die Vereinten Nationen einzuwerfen.