Nuri Aslan zum Interimsbürgermeister von Istanbul gewählt

Der CHP-Politiker Nuri Aslan hat gestern die Wahl gegen den AKP-Kandidaten Zeynel Abidin Okul zum Interimsbürgermeister der Istanbuler Stadtverwaltung gewonnen.

Zwangsverwaltung abgewendet

Nach der Verhaftung des Bürgermeisters der Istanbuler Stadtverwaltung, Ekrem Imamoğlu, wählte der CHP geführte Stadtrat am Mittwoch einen Interimsbürgermeister. Der CHP-Kandidat Nuri Aslan trat gegen den AKP-Kandidaten Zeynel Abidin Okul an.

Der 314-köpfige Stadtrat wählte nach drei Wahlgängen den CHPler Aslan mit 177 Stimmen ins Amt. Der AKPler Okul erhielt 125 Stimmen. Das Stadtparlament von Istanbul hofft, mit diesem Schritt der Gefahr einer Zwangsverwaltung zuvorgekommen zu sein.

Istanbul vorerst weiter CHP-regiert

Der 56-jährige Nuri Aslan wird als Bürgermeister vorübergehend den inhaftierten Ekrem Imamoğlu vertreten, solange dieser im Gefängnis ist und dementsprechend sein Amt im Rathaus nicht ausüben kann. Die beiden CHP-Politiker gelten als langjährige Vertraute, sie arbeiteten bereits vor Imamoğlus Amtsantritt als Bürgermeister der Stadtverwaltung zusammen.

Das staatliche Vorgehen gegen Ekrem Imamoğlu wird von dessen Partei als „ziviler Putsch“ auf Grundlage fingierter Fakten bezeichnet, mit dem Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan seinen schärfsten Konkurrenten ausschalten wolle. Vor seiner Festnahme, die am Mittwoch vergangener Woche erfolgt war, wurde Imamoğlu sein Universitätsabschluss aberkannt – wegen angeblicher Fehler. Wer in der Türkei Präsident werden möchte, braucht jedoch ein Hochschuldiplom.

DEM-Partei spricht von „routiniertem Putschmechanismus“

Auch die DEM-Partei kritisierte das Vorgehen scharf. Sie sprach gar von einem „routinierten Putschmechanismus“ des Regimes in Ankara gegen die Opposition.

Und tatsächlich hat Erdoğan im Kampf um die Kontrolle über die wichtige Me­tropole Istanbul bereits weitere gewählte Volksvertreter:innen der Opposition hinter Gitter bringen lassen: Neben Imamoğlu wurden auch die Istanbuler Bezirksbürgermeister der CHP, Resul Emrah Şahan sowie Mehmet Murat Çalık vom Innenministerium abgesetzt. Anstelle von Şahan, der den Stadtteil Şişli regierte, wurde von Ankara bereits ein AKP-Beamter als Zwangsverwalter eingesetzt. Im Fall Çalık, der Bürgermeister von Beylikdüzü ist, soll dies verhindert werden, indem zeitnah ebenfalls ein Vertreter gewählt wird.

AKP will Situation weiter eskalieren

Die Vorgänge in Istanbul hatten zu heftigen Protesten geführt, welche die Polizei mit äußerster Repression beantwortet: Demonstrierende und Medienschaffende, die über das Geschehen berichten, werden zahlreich festgenommen. Laut übereinstimmenden Medienberichten sollen bereits über 1000 Protestierende in Untersuchungshaft genommen worden sein. Entbrannte der Aufschrei der Bevölkerung an der Absetzung des CHP-Bürgermeisters, weitete sich die Kritik der Demonstrierenden schnell allgemein auf den Abbau der Demokratie und die Angriffe auf die Gewaltenteilung aus und richtet sich immer deutlicher auch gegen die Erdoğan-Regierung. Dessen unbeeindruckt kündigte dieser vor seiner Fraktion in Ankara laut Medienberichten an, sein Vorgehen weiter zu verschärfen und gab bekannt: „Unsere härtesten Schläge kommen noch.“

Lage der Demokratie: 17 Bürgermeister:innen abgesetzt

In der Türkei stehen zahlreiche Rathäuser unter Zwangsverwaltung. Nur vier der seit der Kommunalwahl im März vor einem Jahr abgesetzten 17 Bürgermeister:innen werden von Parteigänger:innen vertreten, mehrere befinden sich im Gefängnis. In den übrigen Fällen regieren vom Innenministerium ernannte Beamte als sogenannte Treuhänder anstelle der rechtmäßig gewählten Bürgermeister:innen. Bei zwölf der zwangsverwalteten Gemeinden handelt es sich um Kommunen, die von der DEM-Partei gewonnen worden waren. Die Absetzung des Bürgermeisters der 6-Millionen-Metropole Istanbul ist ein beispielloser Vorgang.

Die Meldung wurde aktualisiert.