Nürnberg: Dialog statt Isolation

In Nürnberg hat eine Solidaritätsdemonstration für die kurdische Bewegung stattgefunden. „Was ist der beste Friedensplan? Freiheit für Öcalan“, skandierten die Teilnehmenden in der Innenstadt.

Das Nürnberger Bündnis für Frieden in Kurdistan hat zu einer Demonstration aufgerufen, die heute durch die Nürnberger Innenstadt führte – auch vorbei am Gewerkschaftshaus, wo auf großen Transparenten den YPG/YPJ gedankt wurde.

Nach einer Schweigeminute für die Gefallenen wurden in der Rede vom Friedensbündnis ausführlich die Forderungen der Hungerstreikenden erläutert und der Kampfgeist von Leyla Güven hervorgehoben. Als Zusammenfassung hörte man die Parolen: „Widerstand hat einen Namen: Leyla Güven!“ und „Was ist der beste Friedensplan? Freiheit für Öcalan!“

Der Sprecher der „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant*innen“ ging auf die Rolle der YPG und YPJ beim militärischen Sieg gegen den IS ein. Die Ortsgruppe der „Falken“ rief zur Solidarität mit einem Genossen auf, dem vorgeworfen wird, gegen das sogenannte Fahnenverbot verstoßen zu haben. Sein Prozess findet am 27. Mai 2019 um 9 Uhr im Sitzungssaal 28 im Amtsgericht Nürnberg statt, eine „solidarische Prozessbeobachtung“ ist angekündigt. Eine Sprecherin der PYD betonte die Errungenschaften der demokratischen Selbstverwaltung in Rojava und forderte zum Widerstand gegen die Besatzung von Efrîn auf.

Am Ende der Demonstration thematisierte die „Interventionistische Linke (iL)“ die Rolle Deutschlands mit den Waffenlieferungen nach Ankara und der Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung:

„Wir von der Interventionistischen Linken sind heute hier, um zusammen mit der kurdischen Freiheitsbewegung ihren Sieg über den IS zu feiern. Nach fünf Jahren Kampf und über 11.000 Gefallenen in den Reihen der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ ist es nun an der Zeit, Danke zu sagen.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas schwadronierte nach der Zerschlagung des dschihadistischen Albtraums von einer „beispiellosen internationalen Zusammenarbeit, zu der Deutschland beigetragen hat“. Mit keinem Wort erwähnte Heiko Maas die kurdischen Kämpfer und Kämpferinnen. Das ist einfach nur dreist.

Schauen wir uns den Beitrag Deutschlands genauer an. Es ist ein Beitrag ganz im Sinne der 100 Jahre dauernden Waffenbrüderschaft zwischen zwei Staaten, die sich nichts schenken, wenn es um imperiale Machtpolitik und kapitalistische Interessen geht. 

Der Beitrag Deutschlands, das waren vor allem Waffenlieferungen an den Terror-Paten Erdoğan. Bei allen Massakern, die die Türken an den Kurden verübten, sorgten die Deutschen für die militärische Ausrüstung. Wir haben die Leopard-Panzer aus deutscher Produktion, die durch Efrîn rollten, nicht vergessen. Und auch nicht die Waffen, die 2014 an die falsche Adresse gingen. Großzügig ausgerüstet und trainiert wurden die Peschmerga des Barzanî-Clans. Das waren die Verbände, die im Sindschar-Gebirge vor dem IS davonliefen und die Ezid*innen im Stich ließen. Erst die Guerilla der PKK konnte zusammen mit den YPG durch den „Korridor der Menschlichkeit“ einen Genozid verhindern.

Deutschland ist durch seine Rüstungsexporte am Krieg des türkischen Staats in Kurdistan beteiligt und mitverantwortlich. Und es sind Rüstungskonzerne wie Rheinmetall, Kraus Maffei, Heckler und Koch, MAN, Diehl, die daran verdienen. Wir wissen, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung Rüstungsexporte ablehnt. Wir wollen diese schmutzigen Waffendeals skandalisieren. Deshalb beteiligen wir uns an der Kampagne „Rheinmetall entwaffnen“ und „War starts here“. Zum Beispiel werden wir bei der Aktionärsversammlung von Rheinmetall am 28. Mai in Berlin dabei sein und die Zusammenkunft der Kriegsgewinnler stören. Wir brauchen in Deutschland ein breites Bündnis gegen Militarisierung. Sorgen wir dafür, dass die Waffen der deutschen Rüstungsschmieden ihr Ziel nicht erreichen!

Es gab noch einen anderen Beitrag Deutschlands, der den Freunden der Dschihadisten in Ankara auch immer wichtig war: die Schikane und Kriminalisierung der kurdischen Bewegung hierzulande. Nach jedem Treffen mit Erdoğan oder seinem AKP-Gesindel konnten wir sicher sein, dass wieder ein kurdischer Verein gerazzt, wieder eine Demo mit schikanösen Auflagen versehen wird. Durch die absurden Verbote nahezu aller Symbole soll die Freiheitsbewegung unsichtbar gemacht werden. Vor allem in Bayern gibt es derzeit Hunderte von Verfahren wegen des Zeigens der Fahnen der YPG/YPJ. Ein Facebook-Post mit dem Wimpel der YPG reicht, um ins Visier der Staatsanwaltschaft zu kommen.

Hintergrund dabei ist das Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans, das im 25. Jahr nochmals weiter ausgelegt wird – wie immer mit freundlichen Grüßen nach Ankara. Und auch wenn der Gerichtshof der Europäischen Union längst festgestellt hat, „Die PKK ist keine Terrororganisation“, so juckt das die deutsche Regierung nicht. Wer als „Terrorist“ gilt, bestimmt auch in Deutschland Erdoğan. Geschätzte 6.000 türkische Geheimdienst-Mitarbeiter operieren in Deutschland. In den DITIB-Moscheen wird gehetzt und bespitzelt. Und auf einer türkischen Internet-Plattform werden AKP-Gefolgsleute dazu aufgerufen, politisch missliebige Menschen zu melden und zu denunzieren. Bei der nächsten Einreise in die Türkei warten dann Verhaftungen und Terrorismus-Anklagen. Es ist ein Skandal, dass diese Praxis von den deutschen Behörden geduldet wird.

Die Bundesregierung als derzeitiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates steht in der Pflicht, dass das internationale Völkerrecht eingehalten wird. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat das Besatzungsregime der Türkei in Efrîn als illegal bezeichnet und ein angebliches Selbstverteidigungsrecht der Türkei verneint. „Bei Lichte betrachtet erfüllt die türkische Militärpräsenz im Norden Syriens völkerrechtlich alle Kriterien einer militärischen Besatzung”, heißt es in der Ausarbeitung.

Die Bundesregierung muss sich jetzt dafür einsetzen, dass die Türkei ihre Truppen aus der Region Efrîn abzieht und nicht noch mehr Gebiete Syriens okkupiert. Statt einer weiteren militärischen Eskalation braucht die Bevölkerung in Rojava und in ganz Kurdistan den Beginn eines politischen Friedensprozesses. Die Bundesregierung sollte entsprechende Verhandlungen unterstützen. Die Zeit ist reif, dass Deutschland endlich seinen Frieden mit der kurdischen Freiheitsbewegung macht.

Die aktuelle Hungerstreikbewegung für ein Ende der Isolation von Abdullah Öcalan steht unter dem Motto „Dialog statt Isolation“. Es ist ein Schrei nach Frieden und ein Aufbegehren gegen den Faschismus. Über 7.000 politische Gefangene, HPD-Abgeordnete wie Leyla Güven und Aktivist*innen sind seit Monaten im Hungerstreik. Sie fordern die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zwischen dem türkischen Staat und dem Repräsentanten der Freiheitsbewegung Abdullah Öcalan. Er ist seit fast 20 Jahren auf einer Gefängnisinsel weggesperrt. Nach dem Scheitern der letzten Verhandlungen hat der türkische Staat Öcalan total isoliert. Dabei wissen alle: Öcalan ist der Schlüssel für Demokratisierung in der Türkei und im gesamten Mittleren Osten. Doch Ankara hat kein Interesse an Frieden und Demokratie. Mit der Vernichtungspolitik gegenüber Oppositionellen und Kurd*innen lassen sich mehr Wähler mobilisieren.

Die Hungerstreikbewegung beklagt bereits erste Opfer. Sieben Gefangene in türkischen Foltergefängnissen haben sich aus Protest auch gegen das Totschweigen ihres Widerstands das Leben genommen. Das hat uns betroffen gemacht und entsetzt. Wir können die Worte aus dem fernen Qendîl nach den Suiziden nur unterstreichen: „Die Aktionen des Widerstands sollen nicht gegen sich selbst, sondern gegen den Faschismus gerichtet sein.“

Wir sagen: Lasst uns gemeinsam den Faschismus bekämpfen – Schulter an Schulter und Hand in Hand. Dieser Kampf – ob in Deutschland, in der Türkei oder anderswo – erfordert all unsere Kraft und wir brauchen jede und jeden, und zwar lebendig!

Wir fordern: Hände weg von Rojava! Respektierung der Selbstverwaltung in den kurdischen Gebieten. Sie ist friedlich, demokratisch, ökologisch und basiert auf der Gleichheit von Frauen und Männern sowie der Gleichheit der Religionen und Nationalitäten. Keine deutschen Waffenlieferungen an die Türkei! Weg mit dem Verbot der PKK - Keine Kriminalisierung der Freiheitsbewegung!

In diesem Sinne: Widerstand ist Leben – Berxwedan Jihane!   -   Hoch die internationale Solidarität!“