Die Kommandantur des Hauptquartiers der Volksverteidigung (NPG) hat zu Newroz eine Botschaft veröffentlicht, die sich an die Guerilla richtet. In der Erklärung wird auf die besondere Bedeutung des diesjährigen Neujahrsfestes hingewiesen:

„2023 hat Newroz für uns einen besonderen Stellenwert. Rêber Apo [Abdullah Öcalan] begann seinen historischen Marsch vor 50 Jahren an Newroz. Das Treffen von Rêber Apo mit sechs Personen in Ankara am Çubuk-Damm im Jahr 1973 war der Beginn einer neuen Ära in der Geschichte Kurdistans. Der Beginn unseres Kampfes war ein Meilenstein für unser Volk. Seit diesem Tag lodert das Feuer von Newroz stärker, der Widerstand und der Kampf für die Freiheit sind noch stärker geworden.“

Die NPG-Kommandantur gedenkt den Gefallenen des kurdischen Befreiungskampfes und erklärt weiter:

„Newroz nimmt einen wichtigen Platz in der Geschichte unseres Volkes und der Völker der Region ein. Newroz ist der Tag des Sieges über das grausame Dehaq-Regime. Ein Tag der Einigkeit, des Widerstands und des Sieges. Denn bis heute wurde das Newroz-Feuer von unserem Volk in Kurdistan immer als Feuer des Widerstands entzündet und als Tag des Sieges gefeiert. Newroz hat in der Geschichte unseres Volkes und der Menschen in der Region als echter Feiertag immer eine wichtige Rolle gespielt. Im Rahmen der Besatzungspolitik gegen Kurdistan wurde Newroz jedoch seiner Bedeutung beraubt und die Feinde wollten es als gewöhnlichen Tag definieren. Rêber Apo begann seinen historischen Aufbruch jedoch bewusst an Newroz, und von diesem Tag an hat er Newroz immer als einen Tag des Widerstands gesehen, der den Kampf für Freiheit, Einheit und Solidarität anfacht.

Unsere wichtigsten Aktionen fanden an Newroz statt. 1982 führte unser Genosse Mazlum Doğan im Kerker von Amed an Newroz eine historische Aktion durch. Seitdem war Newroz immer ein Fest der neuen Durchbrüche, der Stärkung des Widerstandsgeistes und des Erfolgs. Heute geht unser Volk auf dieser Grundlage auf die Straße, um Newroz willkommen zu heißen und es mit nationalem Geist zu feiern. Als Ergebnis von 50 Jahren Arbeit hat Newroz seine wahre Bedeutung erlangt.

„Das kurdische Volk hat sich immer gegen Verleugnung und Vernichtung gewehrt“

Newroz 2023 ist für uns in vielerlei Hinsicht bedeutsam und wichtig. Erstens: Newroz ist der 50. Jahrestag des Auftretens von Rêber Apo. Zweitens: Dieses Newroz findet im Vorfeld des 100. Jahrestages des Vertrags von Lausanne statt. Bekanntlich ist dieser Vertrag ein Abkommen zur Verleugnung und Vernichtung von Kurdistan. Die vergangenen hundert Jahre waren für unser Volk von großen Tragödien und Massakern geprägt. Doch unser Volk hat den Vertrag von Lausanne nie akzeptiert, sich nie gebeugt und sich immer gegen die Politik der Leugnung und Vernichtung gewehrt. Auch heute noch geht der Kampf gegen die Anerkennung des Vertrags von Lausanne weiter und hat eine sehr wichtige Phase in diesem Jahrhundert erreicht.

Drittens fällt das diesjährige Newroz in eine sehr wichtige und historische Zeit. Seit acht Jahren versucht der türkische Staat, die Freiheitsbewegung zu zerschlagen, die Errungenschaften des kurdischen Volkes vollständig zu vernichten und Kurdistan mit einer Politik des Völkermordes zu besetzen. Er hat einen allgemeinen Krieg gegen den Freiheitskampf erklärt und dieser Krieg dauert an. Der faschistische türkische Staat, angeführt von der AKP/MHP, wollte Ergebnisse erzielen, indem er die Freiheitsbewegung mit Hilfe und Unterstützung der NATO und der kollaborierenden kurdischen Linie mit all seinen Mitteln angriff.“

„Der Feind will 100 Jahre nach Lausanne den Sieg verkünden“

Hauptangriffsziel des türkischen Staates sei neben der Guerilla der seit 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel inhaftierte PKK-Gründer Abdullah Öcalan, der als Repräsentant des kurdischen Volkes gilt und seit inzwischen zwei Jahren vollständig von der Öffentlichkeit abgeschottet wird, so die NPG-Kommandantur: „In diesem Zusammenhang wurde auf Imrali ein sehr strenges System der Isolation und psychologischen Folter installiert, das in dieser Form einzigartig in der Welt ist.“ Dagegen leiste Öcalan seit 24 Jahren Widerstand. Auch die Guerilla befinde sich in einem historischen Widerstand, durch den die feindlichen Angriffe vereitelt worden seien.

„Wie bekannt ist, will der Feind mit Hilfe der kollaborierenden kurdischen Linie, Agenten, Verrätern, und mit Unterstützung der Hegemonialmächte unsere Bewegung und die Medya-Verteidigungsgebiete durch den Einsatz verbotener Waffen liquidieren. Das Ziel ist es, die Errungenschaften des kurdischen Volkes überall zu zerstören, insbesondere in Rojava, Başûr und Şengal. Der Feind würde damit zum 100. Jahrestag der Republik Türkei und des Vertrags von Lausanne den Sieg erklären“, heißt es weiter in der Erklärung.

Die Freiheitsbewegung in den vier Teilen Kurdistans solle in diesem Jahr zerschlagen und somit der Erfolg der Völkermordpolitik verkündet werden. Das sei bisher durch den Kampf der Gefallenen, Abdullah Öcalan, die Opferbereitschaft des kurdischen Volkes und die entschlossene Haltung aller Aktivist:innen der Freiheitsbewegung verhindert worden. Vor allem der Widerstand vor drei Jahren in Heftanîn und in den letzten beiden Jahren in den Regionen Zap, Metîna und Avaşîn sowie in Bakur und Rojava habe den kurdischen Freiheitskampf auf die höchste Stufe gebracht.

Sieg des menschlichen Willens über die Technologie des Zeitalters

2022 sei der Feind im Zap besiegt worden, so die NPG-Kommandantur: „Dieser historische Widerstand dauert immer noch an. Der derzeitige Widerstand gegen verbotene Waffen und fortschrittliche Technologie in den Gebieten Çemço, Şehîd Doğan, Şehîd Botan und Şehîd Munzur ist außergewöhnlich. Damit wurde eine neue Methode im Krieg geschaffen. Dies ist der Beginn einer neuen Seite in der Geschichte des Krieges. Es ist ein Zeichen dafür, wie Widerstand mit menschlicher Intelligenz, Mut, Willen und Können gegen moderne Technologie geleistet und gewonnen werden kann. Dieser Widerstand ist der Sieg des menschlichen Willens über die Technologie des Zeitalters.“

Mögliche Angriffe im Vorfeld der Wahlen

Die NPG-Kommandantur geht in ihrer Erklärung an die Guerilla auch auf das Erdbeben Anfang Februar, die andauernden Newroz-Feiern und die im Mai bevorstehenden Wahlen in der Türkei ein und erklärt: „Ein weiteres wichtiges Thema ist die Wahlagenda in der Türkei und in Kurdistan. Newroz wird in diesem Jahr auf der Grundlage des politischen und sozialen Kampfes vor den Wahlen gefeiert. Der Geist von Newroz ist der Geist des Widerstands und der Freiheit. Die Wahlprogramme haben eine wichtige Bedeutung. Wenn wir die Entwicklungen und die Agenda betrachten, können wir sagen, dass Newroz der Beginn einer neuen Ära sein wird. Die Politik der Unterdrückung und des Völkermords ist bankrott und 2023 wird das Jahr des Erfolgs des Volkes gegen Faschismus und Völkermord sein.

Wie bekannt, hat unsere Bewegung nach dem Erdbeben in Kurdistan, der Türkei und Syrien ihre Untätigkeit erklärt. Auch unser Hauptquartier hat die Entscheidung zur Untätigkeit akzeptiert. Doch das faschistische AKP/MHP-Regime ignoriert diese außergewöhnliche Situation und setzt seine Angriffe gegen unsere Kräfte fort. Im Bewusstsein dieses faschistischen Staates gibt es kein menschliches Gefühl. Er will seine Macht über die Toten unseres Volkes etablieren und so sein Regime dauerhaft machen. Aus diesem Grund haben wir zwar die Untätigkeit erklärt, aber der Feind bricht sie. Unser Volk und die Öffentlichkeit verfolgen diese Situation und sehen, wie human und sozial unsere Haltung ist, und wie unmenschlich der türkische Besatzerstaat.

Die AKP/MHP-Regierung könnte ihre Angriffe vor den Wahlen verstärken. Die Wahlen am 14. Mai sind zweifelsohne sehr wichtig für die Zukunft der Türkei und aller in der Türkei lebenden Völker. Die in der Türkei lebenden Menschen wollen nicht nur eine oder einige wenige Personen wählen, sondern auch das System zu ändern. Aber wir wissen, dass das AKP/MHP-Regime seine Macht nicht aufgeben will. Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass es in den nächsten zwei Monaten viele dunkle Ereignisse, verschiedene Machenschaften und Tricks herbeiführen wird. Im Vorfeld der Wahlen sollen die Spannungen eskalieren und eine künstliche Krise geschaffen werden. Hierfür wurden bereits Vorbereitungen getroffen.

Operationen auf politischem Gebiet

Zum Beispiel wurde das Wahlgesetz geändert und es wurden Reformen in der obersten Organisation, die die Wahlen überwacht, eingeführt. Das zeigt, dass die AKP/MHP zu allen möglichen Mitteln und Methoden greifen wird, um ihre Macht zu erhalten. Außerdem ist nicht klar, ob dieses faschistische Regime die Wahlergebnisse akzeptieren wird, aber das ist eine andere Frage. In diesem Zusammenhang besteht die Möglichkeit, dass neue Operationen durchgeführt werden. Die erste Operation im politischen Bereich wurde von der IYI-Partei durchgeführt. Die Parteivorsitzende Meral Akşener zog sich mit einer harschen Rede, die niemand erwartet hatte, plötzlich vom Sechs-Parteien-Tisch [Wahlbündnis um CHP, IYI-Partei u.a.] zurück und beschädigte das Bündnis zwischen ihnen. Dies war eine Operation, die offenbar von staatlichen Stellen organisiert wurde, um den Sechser-Tisch aufzulösen und die Opposition zu stoppen und zu schwächen. Aber der Tisch wurde nicht aufgelöst und es kam es zu schweren Unruhen in der Basis der IYI-Partei und zu einer allgemeinen Reaktion in der Bevölkerung. Als diejenigen, die diesen Plan vorbereitet hatten, erkannten, dass die Operation nach hinten losgehen, Akşeners Partei höchstwahrscheinlich liquidiert werden und das Bündnis trotzdem noch gewinnen würde, hielten sie es für angemessen, dass Akşener an den Tisch zurückkehrt.

Sie mussten diese Entscheidung treffen. Das war ein wichtiges Ergebnis für die demokratischen Kräfte der Türkei und Kurdistans. Und warum? Weil die Menschen in der Türkei einen Wandel wollen. Das hat sich herausgestellt, und diese Situation hat die Opposition noch mehr gestärkt. Nun ist die erste Operation gescheitert. Aber wir sollten wissen, dass weitere Operationen gegen den Freiheitskampf Kurdistans und auf politischem Gebiet zu erwarten sind. Sie werden den Druck auf Rêber Apo erhöhen. Sie werden zweifelsohne mehr militärische Angriffe auf den kurdischen Freiheitskampf durchführen. Es ist sogar möglich, dass neue Angriffe gegen Rojava oder die Medya-Verteidigungsgebiete gestartet werden. Daher sollte in diesem wichtigen und historischen Prozess niemand unsere Entscheidung zur Untätigkeit falsch verstehen.

Der Feind will einen Krieg vor den Wahlen

Wir sollten wissen, dass die Haltung unserer Bewegung richtig ist, aber der Feind nicht darauf hört. Im Gegenteil, er verstärkt seine Angriffe und die chauvinistische, rassistische Welle in der Gesellschaft der Türkei. Er will einen Krieg vor den Wahlen beginnen. Dafür wird er Angriffe durchführen. Wir alle, alle Freundinnen und Freunde, müssen auf eine solche Situation vorbereitet sein. Niemand sollte die Vorsicht aufgeben, im Gegenteil, alle müssen Stärke entwickeln. In dieser kritischen und heiklen Zeit müssen sowohl die militärischen als auch die politischen und gesellschaftlichen Kräfte sehr vorsichtig sein und sich auf alle möglichen Entwicklungen einstellen. Heute ist mehr Aufmerksamkeit und Vorsicht geboten als je zuvor.“