Notstandsdekrete: Jenseits von Demokratie und Gewissen

Die jüngsten Notstandsdekrete über die Straffreiheit paramilitärischer Gruppen und die Einführung von Einheitskleidung für Gefangene in der Türkei stoßen auf Protest.

Das türkische Erdoğan-Regime arbeitet weiter an dem Ausbau seiner Macht unter Umgehung des Parlaments. Die Proteste gegen die neuen Notstandsdekrete reißen seit Tagen nicht ab.

Im F-Typ-Gefängnis Tekirdağ haben Gefangene aus Protest gegen die Einheitskleidung geschlossen gegen ihre Zellentüren getrommelt und dabei Parolen gerufen. Im Frauengefängnis Izmir soll die DHKP/C-Gefangene Didem Akman ihre Zelle angezündet haben. Informationen über ihren Gesundheitszustand liegen noch nicht vor.

Im Namen der PKK- und PAJK-Gefangenen kündigte unterdessen Deniz Kaya an, die Gefangenen würden sich aus Protest im kommenden Monat weigern, Besuch zu empfangen.

Aus dem Gefängnis äußerte sich auch die ehemalige Ko-Vorsitzende der HDP Figen Yüksekdağ:

„Bei den jüngsten Notstandsdekreten handelt es sich um Kriegsdekrete und einen direkten Angriff auf alle Lebensbereiche der Völker der Türkei außerhalb des Palastes.

Produkt einer militaristisch-patriarchalen Denkweise

Die Bewegung Freier Frauen (TJA) rief in einer schriftlichen Erklärung zum Widerstand gegen die Einheitskleidung auf, die sie als „entwürdigend und erniedrigend“ bezeichnete. „Das patriarchal-faschistische Bündnis AKP/MHP will damit in den Gefängnissen wiederholen, was es bereits der gesamten Bevölkerung aufzudrängen versucht. Es soll nur eine Sprache, einen Staat, eine Religion und eine Nation geben. Die Einheitskleidung ist Produkt einer militaristisch-patriarchalen Denkweise und kann nicht unabhängig von den Eingriffen des AKP-Staates in alle Bereiche des Lebens von Frauen gesehen werden, mit denen ein einheitlicher Frauentyp geschaffen werden soll.“

Außerordentliche Sitzung der HDP-Provinzverbandsvorsitzenden

Die Ko-Vorsitzenden der HDP-Provinzverbände kamen zu einer außerordentlichen Sitzung in der Parteizentrale in Ankara zusammen, um über die Situation nach dem Erlass der neuen Dekrete zu beraten.

Die Ko-Parteivorsitzende Serpil Kemalbay sagte in der Pause vor Journalist*innen:

„Die Türkei wird mit den Notstandsdekreten in ein Chaos gesteuert, in dem sich Zivilisten gegenseitig umbringen. Das Rechtssystem und demokratische Prinzipien werden damit aufgehoben. Es handelt sich um Beschlüsse jenseits von Gewissen und Demokratie. Die Regierung erklärt damit offen, dass ab sofort niemand mehr sicher ist und verweist darauf, wie auf gesellschaftliche Forderungen künftig straffrei reagiert werden wird.“

ANF berichtete: