Gefangene kündigen Widerstand gegen Einheitskleidung an

Nach einem Erlass zur Einführung von Einheitskleidung für Untersuchungs- und Strafgefangene in der Türkei reißen die Reaktionen nicht ab.

Nachdem bereits gestern Selahattin Demirtaş (HDP) aus dem Gefängnis in Edirne über seine Anwälte zum Widerstand gegen die ehrverletzende und gesetzeswidrige Einheitskleidung für Gefangene aufgerufen hat, sind heute weitere Reaktionen aus den Gefängnissen erfolgt.

So erklärte heute Deniz Kaya im Namen der PKK- und PAJK-Gefangenen, dass die Einheitskleidung niemals akzeptiert werde. Für die türkische Regierung möge Guantanamo ein Vorbild sein, für die revolutionären Gefangenen sei das Vorbild jedoch der Widerstand im Gefängnis Diyarbakır nach dem Militärputsch in der Türkei im Jahr 1980, so Kaya: „Mit der Einheitskleidung soll den Gefangenen die Identität genommen werden. Ihr Willen soll gebrochen werden. Das werden wir nicht zulassen.“

Weiter heißt es in der Erklärung:

„Wir fürchten eure Strafe nicht. Glaubt nicht, dass wir hilflos und schuldbewusst in eurer Kleidung vor eure Richter treten werden. Wir sind Menschen mit Überzeugungen und Ideen. Daher rufen wir alle Menschen, die daran glauben, dass unser Reichtum aus unserer Vielfältigkeit, Unterschiedlichkeit und Buntheit besteht, dazu auf, gegen diese faschistische Maßnahme Widerstand zu leisten.“

Zum Widerstand entschlossen

Einer der PKK-Gefangenen in Bolu ließ über Angehörige mitteilen, dass die Gefangenen zum Widerstand entschlossen seien.

Ergin Atabey ist im F-Typ-Gefängnis Bolu in Untersuchungshaft. Bei einem Besuch seiner Familie berichtete er über Rechtsverletzungen in der Haftanstalt: „Die Repression ist stärker geworden, seit ein neuer Gefängnisleiter gekommen ist. Wir sollen jetzt Erkennungsmarken am Kragen tragen, wenn wir in den Besuchsraum gehen. Wer sich nicht an die Regeln hält, wird in eine Zelle neben den Zellen von FETÖ, Hizbullah oder Kriminellen verlegt. Damit soll im Voraus jeglicher Widerstand erstickt werden.“

Nach Angaben der Gefängnisverwaltung sei Bolu als Pilotgebiet für die Einführung von Einheitskleidung ausgewählt worden, berichtete Atabey weiter. Es sei angekündigt worden, dass die Verweigerung der Kleidung mit dem Verbot von Besuchen, Telefongesprächen und Briefen bestraft werde. „Unsere Diskussion über diese neuen Maßnahmen ist noch nicht abgeschlossen, aber es steht bereits fest, dass wir dagegen Widerstand leisten werden“, so Atabey.

Solidarität mit den kämpfenden Gefangenen

Auch außerhalb der Gefängnisse regt sich Protest. Vor dem Frauengefängnis in Istanbul-Bakırköy fand eine Kundgebung der Initiative „Solidarität mit den Gefangenen“ und der Plattform „Einheitskleidung lassen wir nicht zu“ statt, auf der den kämpfenden Gefangenen uneingeschränkte Solidarität zugesichert wurde.

Am Parlament vorbei

Die HDP-Fraktion in der türkischen Nationalversammlung hat unterdessen aufgrund der neuen Gesetzeserlasse eine außerordentliche Parlamentssitzung gefordert.

Seit der Ausrufung des Ausnahmezustands in der Türkei werden gesetzliche Neuregelungen nicht mehr vom Parlament verabschiedet, sondern per Dekret eingeführt. Durch die jüngsten Erlasse sollen die Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst fortgesetzt, weitere zivilgesellschaftliche Organisationen verboten, Einheitskleidung für Gefangene eingeführt und die Straflosigkeit paramilitärischer Kräfte gewährleistet werden.

Die stellvertretenden Ko-Vorsitzenden der HDP, Filiz Kerestecioğlu und Ahmet Yıldırım, warnten in einer Presseerklärung: „Ziel dieser faschistoiden Maßnahmen sind die Aufhebung der verfassungsrechtlichen Ordnung, die Ausschaltung des Parlaments und eine Regierung, die das Land außerhalb der parlamentarischen Kontrolle per Dekret beherrscht.“

ANF berichtete: