Newrozfeuer in den Bergen Kurdistans

Die Guerilla aus Ostkurdistan hat ihr erstes Newroz-Feuer in den Bergen entzündet. Die uralte Newroz-Legende hat mit der Entstehung der kurdischen Befreiungsbewegung vor fünfzig Jahren eine neue Bedeutung gewonnen.

Guerillakämpfer:innen aus Rojhilatê Kurdistanê (Ostkurdistan) haben das erste Newrozfeuer des Jahres in den kurdischen Bergen entzündet. Die Kämpfer:innen riefen „Jin Jiyan Azadî“ (Frau Leben Freiheit) und „Newroz pîroz be“ (Es lebe Newroz) und forderten die Freilassung von Abdullah Öcalan. Danach wurde um das Feuer getanzt.


Die Newroz-Legende und der Widerstand von heute

Die Newroz-Legende handelt vom Widerstand gegen den Tyrannen Dehaq, dem zwei Schlangen aus den Schultern wuchsen. Der Despot ließ jeden Tag zwei junge Menschen töten, um ihre Gehirne an seine Schlangen zu verfüttern. Die Menschen seines Reiches flohen daher in die Berge. Dort gelang es dem Schmied Kawa, die Menschen zum Widerstand gegen Dehaq zu bewegen. Der junge Schmied fertigte Waffen für sich und seine Mitstreiter an. Sie rebellierten gemeinsam und Kawa erschlug den Tyrannen und die Schlangen mit seinem Schmiedehammer. Anschließend errichtete er ein Feuer auf dem Dach des Palastes, um das Ende der Tyrannei und den Beginn eines neuen Tages zu verkünden.

Newroz wird von vielen Völkern im Nahen Osten und Kaukasus als Frühlingsbeginn gefeiert. In Kurdistan gewann das Neujahrsfest mit der Entstehung der Bewegung um Abdullah Öcalan eine neue Bedeutung. Die Formierungsphase der apoistischen Bewegung hin zu einer Partei begann an Newroz 1973. Den Grundstein der PKK legten Abdullah Öcalan und seine Mitstreiter:innen bei einer Zusammenkunft am Çubuk-Staudamm im Ankara.

1982 entzündete der PKK-Gefangene Mazlum Doğan im berüchtigten Foltergefängnis in Amed (tr. Diyarbakir) drei Streichhölzer, legte sie auf den Tisch in seiner Zelle und nahm sich das Leben. Er hinterließ die Nachricht „Kapitulation ist Verrat, Widerstand führt zum Sieg” und setzte damit ein Fanal gegen die systematische Vernichtung der kurdische Freiheitsbewegung durch die türkische Militärjunta.

Anfang der 1990er Jahre wurde Newroz als Widerstandsfest in nordkurdischen Städten wie Cizîr (Cizre) und Nisêbîn (Nusaybin) etabliert. 1992 kam es in Cizîr zu einem Massaker, als Staatskräfte aus Panzerwagen und Hubschraubern auf die Menschenmenge schossen. Offiziellen Angaben zufolge wurde 57 Menschen getötet, Augenzeugen berichteten von über 100 Toten.

Newroz war wiederholt auch ein Anlass für die Befreiungsbewegung, zu einer friedlichen und würdevollen Lösung der kurdischen Frage aufzurufen. Kurz vor Newroz 1993 riefen Abdullah Öcalan und die PKK einen einseitigen Waffenstillstand aus, der jedoch innerhalb kurzer Zeit scheiterte. 2013 wurde bei der Newroz-Feier in Amed vor Millionen Menschen eine von Öcalan im Inselgefängnis Imrali verfasste Deklaration verlesen, die großes Aufsehen erregte.

Das diesjährige Newroz steht unter dem Zeichen der Trauer über die Opfer der Erdbebenkatastrophe vom 6. Februar. Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) ruft dazu auf, die Trauer in Wut zu verwandeln und Newroz als Tag des Widerstands und der Wiederbelebung zu begehen. In Deutschland findet am kommenden Samstag eine zentrale Newroz-Veranstaltung in Frankfurt a.M. statt, zu der der kurdische Dachverband KON-MED einlädt: „Wir wollen gemeinsam mit euch die Botschaft vermitteln, dass mit dem diesjährigen Newroz nicht nur ein neuer Tag und ein neues Jahr anbricht, sondern auch ein neues Zeitalter, in dem für autoritäre Regime kein Platz mehr ist!“