NAV-DEM fordert Rücknahme der Demonstrationsverbote

Das Demokratische Gesellschaftszentrum für Kurd*innen in Deutschland NAV-DEM hatte heute Vormittag zu einer Pressekonferenz eingeladen, um die Öffentlichkeit über die Verbote von Antikriegsprotesten zu informieren.

Seit Beginn der Krieges gegen Efrîn finden in Deutschland täglich Proteste, Kundgebungen und Demonstrationen statt. Auf diesen Protesten wird nicht nur der Krieg der türkischen Armee und ihrer dschihadistischen Verbündeten gegen die Bevölkerung des Kantons Efrîn in Nordsyrien verurteilt, sondern auch die Waffenunterstützung Deutschlands für die Türkei.

„Die Bundesregierung scheint sich daran zu stören, dass wir öffentlich auf die deutsch-türkische Waffenbrüderschaft aufmerksam machen“, heißt es in der Einladung zur Pressekonferenz von NAV-DEM. Das Polizeipräsidium Köln hatte für Demonstrationsanmeldungen eines kurdischen Vereins zwei Verbotsverfügungen erteilt. „In den genannten Verfügungen wird das Demonstrationsverbot damit begründet, dass es sich bei dem größten kurdischen Dachverband in Deutschland NAV-DEM um eine Nachfolgeorganisation der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans handele, wodurch das Recht, ‚öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und durchzuführen‘ verwirkt sei. Nach Aussagen der Kölner Polizei sind die Verbotsverfügungen die Folge eines neuerlichen Erlasses aus dem Bundesinnenministerium. Die Verbotsverfügungen aus Köln stellen nicht nur die Außerkraftsetzung der Versammlungsfreiheit für hier lebende Kurdinnen und Kurden dar. Sie kommen auch einem politischen Betätigungsverbot für die zweitgrößte Migrantengruppe in Deutschland gleich“, so NAV-DEM.

Auf der Pressekonferenz im Bürgerzentrum Alte Feuerwache in Köln verlas die Ko-Vorsitzende Ayten Kaplan die folgende Erklärung und rief die Zivilgesellschaft in Deutschland dazu auf sich zu solidarisieren und eine Rücknahme der Verbote zu fordern:

„Wir werden derzeit durch das Verhalten der deutschen Sicherheitsbehörden mit einer Situation konfrontiert, die mittlerweile enorme Parallelen zur türkischen Staatspolitik aufweist. In der Türkei wird jede noch so leise Regung gegen die Militäroffensive in Afrin brutal unterdrückt, in Deutschland werden Proteste und Demonstrationen für ein Ende des türkischen Besatzungskrieges verboten und untersagt.”

Hundertausende Menschen, viele Flüchtlinge aus der Türkei in Deutschland, protestieren seit bald zwei Jahren mit demokratischen Mitteln gegen die Kriegspolitik der Türkei. Das ist ihr natürlichstes Recht und niemand hat das Recht diesen Menschen dieses garantierte Grundrecht zu verbieten.

Am Samstag, den 27. Januar haben hunderttausend Menschen gegen den Angriff auf Afrin protestiert. Während wir diese Demonstration mit einer Kundgebung beenden wollten, wurde das Verbot der Öcalan-Fahnen genutzt um die Menschen zu provozieren. Trotz der Gespräche mit den Sicherheitsbehörden konnte man nicht zu einer Vereinbarung kommen. Um Auseinandersetzungen zu verhindern, haben wir deswegen unsere Kundgebung vorzeitig beendet.

Die Türkei wird gegenwärtig von einer regelrechten Diktatur gesteuert. Jeder, der das Wort „Frieden“ in den Mund nimmt wird sofort festgenommen. Die HDP, als einzige Partei, die sich gegen den Krieg stellt, ist mit ständigen Repressionen konfrontiert. Sowohl ihre Abgeordnete als auch ihre Bürgermeister. Die neue Ko-Vorsitzende der HDP, Pervin Buldan, war selbst Mitglied in der Friedensdelegation, die die Gespräche mit Abdullah Öcalan auf Imrali vermittelte. Letzte Woche wurde gegen sie aufgrund einer Anti-Kriegs-Rede auf dem HDP-Kongress ein Verfahren eröffnet.

Auch die Öffentlichkeit in Deutschland ist mehrheitlich gegen den Krieg von Erdogan in Afrin. Das wird aus den Nachrichten, Radio und Fernsehprogrammen deutlich, aber auch aus den Aufrufen von Menschen des öffentlichen Lebens die sich direkt an die Kanzlerin Merkel und Gabriel wenden.

Die deutsche Regierung darf sich nicht an den Kriegsverbrechen von Erdogan mitschuldig machen. Das ist unsere Hauptforderung. Alle Waffenexporte müssen gestoppt werden. Alle möglichen wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen müssen überdacht werden, solange die Türkei sich nicht auf die Demokratie besinnt. Solche Entscheidungen würden den 76 Millionen Menschen in der Türkei dienen. Denn der Krieg richtet sich nicht nur auf die Kurden, sondern auch türkische Bürger sind von dem Krieg betroffen.

Auch die Europäische Union, hat in einer Sitzung vergangene Woche einen Aufruf zum Stopp des Krieges und der Wiederaufnahme von Friedensgesprächen gemacht. Schon davor wurde klar gemacht, dass man die EU-Aufnahme der Türkei solange auf Eis stellen werde, bis die Türkei sich auf die Demokratie besinne. Der Ansprechpartner für einen Frieden ist Abdullah Öcalan. Es ist ein großes Paradox, dass die EU solch eine Erklärung trifft und auf der anderen Seite die Bilder von Öcalan von der deutschen Regierung verboten sind. Es ist ironisch und nicht rechtens.

In diesem Kontext sind die neusten Verbotsverfügungen der Sicherheitsbehörden in NRW ein rechtlicher und politischer Skandal. In dem 17-seitigen Schreiben, wird nur erklärt, dass die PKK eine Terrororganisation sei und NAV-DEM ihr Arm in Deutschland sei. So wie Erdogan, die HDP und alle Institutionen, die sich für die die Lösung von Demokratieproblemen einsetzten, als PKK-Ableger bezeichnet, nutzt das deutsche Innenministerium dieselbe Logik.

NAV-DEM ist eine pluralistische Dachorganisation unter der sich Eziden, Aleviten, Assyrer und türkische und deutsche Demokraten wiederfinden. NAV-DEM ist der größte Migrantenverein, der die Forderungen der Menschen aus der Türkei und Kurdistan wiederfindet. Wir sind geschockt über diese Kriminalisierung und Außerkraftsetzung der Versammlungsfreiheit.

Die Öffentlichkeit in Deutschland muss wissen, dass wir NAV-DEM mit unseren demokratischen Aktivitäten die Türkei zur Demokratie bewegen möchten. Denn eine diktatorische Türkei unterdrückt unsere Millionen Verwandten im Land selbst, aber schadet auch Deutschland selbst. Die Medien haben über die Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes in Deutschland genügend berichtet. In der neuen Verbotsverfügung zeigt sich auf der Einfluss der Logik des türkischen Staates im deutschen Innenministerium. Unsere Anwälte haben die notwendigen Schritte unternommen und gegen diese undemokratische Verbotspolitik vorzugehen.

Die Proteste der Menschen gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei auf Afrin, seit 26 Tagen, darf nicht verhindert werden. Schon zuvor wurden die Bilder der YPG, YPJ und Öcalan verboten. Nun möchte man gänzlich unsere Veranstaltungen verbieten. Wir sehen das als eine Provokation.

Öcalan selbst ist nämlich nicht nur eine Hoffnungsfigur für die Kurden, sondern auch in Nordsyrien, Rojava und im ganzen Mittleren Osten eine zentrale Figur. Es ist genauso absurd, Nelson Mandelas Bilder den Menschen in Südafrika, Ghandi in Indien und Arafat in Palästina zu verbieten. Deutschland spielte auch eine unrühmliche Rolle als Öcalan kurz vor seiner Entführung in Deutschland einreisen wollte und der Antrag von Deutschland abgelehnte wurde. Die kurdische Gesellschaft hat dies nicht vergessen. Es ist furchterregend, dass an dem Jahrestag der Entführung von Öcalan, während dem Angriff auf Afrin, als auch dem Protest in Deutschland gegen den türkischen Einmarsch, der kriegstreibende türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım in Berlin empfangen wurde. Die deutsche Regierung nimmt die Forderungen ihrer eigenen Gesellschaft damit nicht erst.

Wir fordern die Aufhebung dieser tragik-komischen Verbote und die deutsche Regierung sollte sich stattdessen für die Aufnahme von Friedensgesprächen zwischen Öcalan und der Türkei einsetzten.

Wir rufen die Zivilgesellschaft in Deutschland dazu auf sich mit uns zu solidarisieren und fordern die Rücknahme des unrechten Verbots.