Der Journalistenverein Dicle Fırat (DFG) organisierte eine Gedenkveranstaltung für den kurdischen Schriftsteller Musa Anter (Apê Musa), der am 20. September 1992 im Stadtteil Seyrantepe in Amed (tr. Diyarbakir) ermordet wurde. Daran nahmen der Sohn von Musa Anter, Dicle Anter, der DFG, die Mesopotamische Journalistinnenplattform (MKGP), die Partei der Demokratischen Regionen (DBP), die Demokratische Partei der Völker (HDP), die Abgeordneten İmam Taşçıer und Gülistan Kılıç Koçyiğit, Angehörige kranker Gefangener, der Verein zur Unterstützung von Gefangenen und verurteilten Familien (TUHAY-DER), die 78'er Initiative Diyarbakır, der Journalist Hüseyin Aykol und viele andere Personen teil. Die Veranstaltung fand in der 442. Straße des Cumhuriyet-Viertels in Amed statt.
Eine Kugel auf die kurdische Sprache und die Suche nach der Wahrheit
Dicle Müftüoğlu, Ko-Vorsitzende der DFG, sagte bei der Gedenkfeier: „Musa Anter, der Weise des kurdischen Volkes, der Lehrer der kurdischen Journalist:innen, wurde vor 30 Jahren in dieser Straße ermordet. Die Kugel, die auf ihn abgefeuert wurde, wurde auf die Sprache eines Volkes, auf die Suche nach der Wahrheit abgefeuert. Mit der Ermordung von Apê Musa sollte dieses Volk zum Schweigen gebracht und ohne Stift zurückgelassen werden. Es wurde angenommen, dass die Leute schweigen werden, wenn die ,Platane der kurdischen Presse' getötet wird. Ja, unser Lehrer Apê Musa wurde in dieser Straße ermordet, und sein Stift wurde blutverschmiert zurückgelassen. Doch seine Nachfolgerinnen und Nachfolger nahmen diesen Stift in die Hand und schrieben weiter die Wahrheit. Cengiz Altun, Gurbetelli, Ferhat Tepe, Deniz Fırat, Nujiyan Erhan übernahmen diesen Stift und hinterließen ihn uns."
Müftüoğlu erinnerte daran, dass nach der Ermordung von Apê Musa Zeitungsgebäude bombardiert und Zeitungsverteilende ermordet und verhaftet wurden, und sagte: „16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der freien Presse, die Nachfolgenden von Apê Musa, wurden am 8. Juni festgenommen und am 16. Juni verhaftet, weil sie die Wahrheit an die Öffentlichkeit brachten. Die Polizei, die keine Anhaltspunkte in den Akten unserer Kolleg:innen finden konnte, zeigte unsere Kameras, Fotoapparate und diese Bilder, die wir heute mit großem Stolz in den Händen halten, als Beweismittel. Heute sagen wir von hier aus noch einmal: Diese Menschen, die ermordet wurden, weil sie versuchten, den Menschen die Wahrheit zu vermitteln, sind unsere Ehre. Denjenigen, die glauben, uns mit Operationen und Verhaftungen entmutigen zu können, rufen wir noch einmal von dem Ort aus zu, an dem Apê Musa ermordet wurde: Wir sind Apê Musas Feder, wir sind seine kleinen Generäle, wir sind seine Nachfolgenden, wir werden diesen Kampf für die Wahrheit nicht aufgeben."
„Wir haben den Raum, den er verlassen hat, ausgeweitet“
Der Journalist Hüseyin Aykol erinnerte an die Angriffe auf freie Pressemitarbeitende in den vergangenen Jahren: „Es gab Verhaftungen, aber wir haben trotzdem weitergemacht. Ich bin nicht hierher gekommen, um denen, die Apê Musa ermordet haben, meinen Hass auszudrücken, ich bin hierher gekommen, um meine Schuld an Apê Musa zu begleichen. Wir sind nicht so, wie Du uns verlassen hast, wir haben seit diesem Tag fast 50 Zeitungen herausgegeben, wir haben Radios gehabt. Wir haben Fernsehen, das in die ganze Welt sendet, wir haben eigene Agenturen. Wir wurden für diese Sache gefoltert und inhaftiert, unsere Agenturen wurden ebenso geschlossen wie unsere Zeitungen. Solange wir leben, werden wir weiter darüber berichten, was das kurdische Volk durchmacht. Wir werden es der ganzen Welt mitteilen. Ich bin seit 33 Jahren hier, und junge Menschen im Alter meiner Kinder und Enkelkinder haben sich der freien Presse angeschlossen. Wir wachsen weiter.“
Aus Apê Musa wurden Millionen
Der HDP-Abgeordnete İmam Taşçıer wies darauf hin, dass es in der Geschichte schon oft zum Versuch kam, die Kurd:innen zu vernichten: „Apê Musa akzeptierte das nicht und schrieb für das kurdische Volk. Dafür wurde er im Alter von 70 Jahren auf dieser Straße ermordet. Solange diese Ordnung besteht, wird es Menschen wie Apê Musa geben. Apê Musa mag an diesem Tag der Einzige gewesen sein, aber heute gibt es Millionen."
Nach den Reden liefen die Teilnehmer:innen der Gedenkkundgebung mit der Parole „Die freie Presse kann nicht zum Schweigen gebracht werden" zu dem Ort, an dem Musa Anter ermordet wurde. Das Gedenken endete mit dem Niederlegen von Nelken an dem Ort.