Seit der Fedai-Aktion einer Sondereinheit der PKK-Guerilla gegen die Generaldirektion für Sicherheit des Innenministeriums im Regierungsviertel am Sonntag in Ankara vollzieht sich in der Türkei eine neue Drehung an der Repressionsschraube gegen die kurdische Bevölkerung. Nachdem in der Nacht zum Montag bereits zwanzig kommunalpolitisch aktive Personen aus den Strukturen der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und Handelnde der kurdischen Zivilgesellschaft wegen angeblicher Unterstützung der PKK in Istanbul und Kırklareli festgenommen worden waren, kam es am Dienstag landesweit zu weiteren Festnahmen.
Wie türkische Behörden verlautbaren ließen, befinden sich mindestens 67 Personen seit heute wegen vorgeblicher Verbindungen zur PKK in Gewahrsam. 55 der Betroffenen seien bei Razzien von Polizei und Gendarmerie in sechzehn verschiedenen Provinzen festgenommen worden, zwölf weitere Personen hätten sogenannte Sicherheitskräfte in einem separaten Einsatz in fünf Provinzen festgesetzt. Angeblich befänden sich unter ihnen auch solche, die im Verdacht stünden, direkt an der Fedai-Aktion vom Wochenende beteiligt gewesen zu sein. Bei den „Anti-Terror-Operationen“ seien auch diverse Waffen sichergestellt worden, hieß es.
Die HDP hält die Vorwürfe gegen die Festgenommenen für konstruiert und politisch motiviert. Die Regierung nutze den Guerillaangriff als Gelegenheit, die demokratische Opposition und die ihr nahestehende Zivilgesellschaft weiter zu kriminalisieren und Kurdinnen und Kurden zur Zielscheibe zu machen. Ein Großteil der martialisch in Szene gesetzten Razzien fand tatsächlich im kurdischen Teil des Landes statt. In Şirnex (tr. Şırnak) nahm die Polizei unter anderem Fatma Gizleyici fest, die Ko-Vorsitzende des Sprach- und Kulturvereins Birca Belek ist. In Riha (Urfa) wurden rund 25 Personen in Gewahrsam genommen, bei denen es sich hauptsächlich um syrische Staatsangehörige mit kurdischer Identität handelt, die im Zuge des Terrors der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) aus Rojava geflüchtet sind.
Weitere Festnahmen wurden unter anderem aus Amed (Diyarbakır), Wan (Van), Dîlok (Antep), Êlih (Batman), Mêrdîn (Mardin), Mersin, Aydın, Bursa, Istanbul, Denizli, Adana, Kayseri, Antalya, Konya, Isparta und Kocaeli gemeldet. In allen Fällen hat die zuständige Staatsanwaltschaft die Ermittlungsakten mit einer Geheimhaltungsverfügung belegt, außerdem ist ein 24-stündiges Anwaltsverbot für alle Festgenommenen in Kraft. Bei der Maßnahme, die üblich ist in Verfahren mit angeblichem Terrorismusbezug, handelt es sich um eine gängige Methode der türkischen Justiz, die Verteidigung zu torpedieren.