Murat Karayılan: Die Guerilla hat keine Probleme

Im kurdischen Fernsehsender Stêrk TV hat sich Murat Karayılan als Mitglied des Exekutivkomitees der PKK zu den aktuellen Entwicklungen in Kurdistan und dem Mittleren Osten geäußert.

In einer Sondersendung bei Stêrk TV hat sich Murat Karayılan als Mitglied des Exekutivkomitees der PKK unter anderem zur Bedeutung der kurdischen Guerilla sowie zu der Situation in Idlib und Efrîn geäußert.

„Die Guerilla kämpft nicht nur für das kurdische Volk, sondern für alle unterdrückten Völker. In der aktuellen Situation will der türkische Staat Syrien, den Irak und Südkurdistan besetzen. Diese Absicht bedeutet nicht nur für das kurdische Volk eine große Gefahr, sondern auch für alle anderen Völker im Mittleren Osten. Die türkische Expansionspolitik basiert auf neoosmanischen Bestrebungen und bedroht alle Völker. Der Ideologie des Turanismus und der Nationalismus sollen ausgeweitet werden. Daher dient der Kampf der Guerilla ebenso einer Demokratisierung der Türkei wie einem freien und gleichberechtigten Zusammenleben der Völker in der gesamten Region.“

Die Lüge von der Auslöschung der PKK

Zu den aktuellen Verlautbarungen aus dem türkischen Regime, die PKK werde ausgehungert und könne sich keine Lebensmittel mehr beschaffen, erklärte Karayılan: „Im Herbst 2016 und auch im April 2017 ließ der türkische Staat die Lüge verbreiten, dass die PKK kurz vor der Auslöschung stehe. ‚Niemand wird mehr den Namen PKK aussprechen, weil die PKK in diesem Winter vernichtet wird‘, hieß es. Die Guerilla ist jedoch ein Teil der Bevölkerung. Wenn der Staat verhindern könnte, dass die Guerilla Lebensmittel bekommt, hätte er es wohl innerhalb der letzten 35 Jahre bereits getan. Die gleichen Methoden sind schon früher ausprobiert worden, es wurden Embargos durchgesetzt, aber ist die Guerilla dadurch ausgelöscht worden? Die Staatsvertreter tun so, als ob sie etwas ganz Neues sagen würden, aber es handelt sich um etwas, das der Staat schon oft versucht hat. Ich sage es ganz deutlich: Die Guerilla wird damit keine Probleme haben.“

Idlib-Abkommen ist von kurzer Dauer

In seiner Bewertung der aktuellen Entwicklungen in der Region ging Karayılan auch auf das zwischen der Türkei und Russland getroffene Idlib-Abkommen ein: „Bei diesem Abkommen handelt es sich um eine kurzfristige Regelung, die langfristig keinen Bestand haben wird. Erdoğan hat den russischen Staatschef in Sotschi angefleht, dass Idlib zumindest bis zum nächsten Frühjahr unter seiner Kontrolle bleiben soll. Seine Kriegs- und Wirtschaftspolitik ist auf die im März erfolgenden Kommunalwahlen ausgerichtet. Wenn er vorher aus Idlib vertrieben wird, würde er die Wahlen verlieren. Aus diesem Grund gibt es dieses Abkommen und es wird so getan, als ob es eine dauerhafte Lösung sei. Natürlich profitiert auch Russland davon.

Mit ihrem aktuellen Politikverständnis kann es jedoch keine Einigung zwischen beiden Seiten geben, weil Erdoğan die Linie der Muslimbrüder und al-Qaida vertritt. Bekanntlich unterstützt der türkische Staat diese Kräfte. Das syrische Regime und Russland sind jedoch gegen diese Linie. Natürlich gehen Staaten immer ihren eigenen Interessen nach. Daher kann das Idlib-Abkommen noch etwas länger Bestand haben. Langfristig gesehen wird es jedoch von kurzer Dauer sein.

Erdoğan betätigt sich als Sprecher der Dschihadisten

Erdoğan betätigt sich offen als Sprecher der Al-Nusra-Banden. Er glaubt, dass er alle hereinlegen kann, wenn die Dschihadisten einige ihrer schweren Waffen ein paar Kilometer zurückziehen. Im Moment gibt es sogar einige Gruppierungen, die sich dagegen aussprechen. Erdoğan setzt den MIT ein, um diese Gruppen zu überzeugen. Aktuell befinden sich die Dschihadisten der al-Nusra weiterhin in ihren Stellungen. Sie haben das als Pufferzone festgelegte Gebiet nicht verlassen, sondern im Gegenteil auf Befehl Erdoğans ihre Stellungen weiter ausgebaut und nur einige schwere Waffen als vermeintlichen Beweis für einen Rückzug abgezogen. Insofern ist das Russland gegebene Versprechen nicht eingehalten worden. Darüber hinaus sind die Beziehungen zwischen den dortigen Dschihadisten einschließlich des IS mit dem Erdoğan-Regime bewiesen worden. Wir haben das schon immer gesagt, aber jetzt findet es vor aller Augen statt.“

Ethnische Säuberung in Efrîn

Karayılan kritisierte weiterhin das internationale Schweigen zu der Besatzung von Efrîn und erklärte, in der Region finde eine ethnische Säuberung statt: „Die Kräfte, die nichts gegen die Isolation Abdullah Öcalans sagen, schweigen auf gleiche Weise zu den Machenschaften Erdoğans und seiner Dschihadisten in Efrîn. Sie machen sich damit zu Komplizen. Und warum? In Efrîn leben Kurden und es finden Kriegsverbrechen statt. Wo sind denn die ganzen internationalen Menschenrechtsorganisationen? Die Menschen aus Efrîn werden vertrieben und deportiert, Araber aus Ghouta und anderen Orten werden nach Efrîn transferiert. Alle internationalen Kräfte sehen dabei bloß zu, weil es ihnen selbst gut passt.

Unser Volk und die gesamte Öffentlichkeit sollten wissen, dass die Verantwortlichen für diesen faschistischen Genozid zur Rechenschaft gezogen werden. Niemand sollte davon ausgehen, dass die Massaker und die ethnische Säuberung ungesühnt bleiben. Auch das kurdische Volk verfügt über eine politische Stärke und bewaffnete Kräfte. Wichtig ist nur, dass die Bevölkerung in allen Teilen Kurdistans die gegebenen Gelegenheiten nutzt. Die Voraussetzungen für den Sieg der Völker Kurdistans und der Region sind gut.“