Mithat Sancar, Ko-Vorsitzender der Demokratischen Partei der Völker (HDP), hat im Rahmen des am 1. Juni gestarteten Programms für einen demokratischen Aufbruch in der Türkei den Demokratischen Gesellschaftskongress (DTK) in Amed (türk. Diyarbakir) besucht. Anfang letzter Woche hatte die HDP eine Roadmap mit strategischen Richtlinien gegen den autoritär-autokratischen Staats- und Regierungskurs unter Recep Tayyip Erdoğan vorgelegt und an alle demokratischen Kräfte im Land appelliert, gemeinsame Synergien zu finden. Das Programm sieht vor, dass die HDP auf die Gesellschaft und ihre Organisationen zugehen wird, um auf Augenhöhe diskutieren zu können. Der Besuch beim DTK am Dienstag stellte den Auftakt zu der Kampagne dar, die ihren Höhepunkt am 1. September, dem Weltfriedenstag, finden soll. Bis dahin sollen in der gesamten Türkei politische Zusammentreffen und Veranstaltungen stattfinden.
Mithat Sancar brachte bei seinem Besuch in Amed die Situation der HDP-Abgeordneten Leyla Güven und Musa Farisoğulları zur Sprache und sagte: „Der Entzug des Abgeordnetenmandats und die Verhaftungen stellen einen politischen Putsch dar. Ein Putsch wird nicht immer vom Militär mit Panzern und Raketen durchgeführt, oft genug geht ein Putsch auch von Seiten der Justiz und den Herrschenden selbst aus. Ein Putsch, egal ob vom Militär, von der Justiz oder aus der Politik, findet immer gegen den Willen des Volkes statt. Beim Putsch vom 12. September 1980 wurde als erster Schritt das Parlament geschlossen. Alle am Putsch Beteiligten hatten das Ziel, den Willen des Volkes zu unterdrücken. Auch politische Putschversuche nutzen die gleichen Methoden, um den politischen Willen des Volkes zu brechen.“
Der HDP-Vorsitzende wies darauf hin, dass Leyla Güven, die am Dienstagabend aus der Haft entlassen wurde, gleichzeitig Ko-Vorsitzende des DTK und Musa Farisoğulları Mitglied dieser zivilgesellschaftlichen Organisation ist: „Leyla Güven ist nicht nur eine Abgeordnete aus der Provinz Hakkari [kurd. Colemêrg], sie ist auch die Ko-Vorsitzende des DTK. Sie hat ihr gesamtes Leben gekämpft, hatte stets ein erhobenes Haupt und eine stolze Haltung. Sie hat viele Opfer für den Frieden und die Demokratie erbracht. Die Verhaftung von Leyla Güven und Musa Farisoğulları richtet sich gleichzeitig gegen die Mission des DTK.“
Sancar kündigte an, dass der von der HDP geplante „Demokratiemarsch“ am 15. Juni zeitgleich in Edirne in der Westtürkei und in Colemêrg, der südöstlichsten Provinz an der Staatsgrenze zum Iran und Irak, beginnen wird. Innerhalb von fünf Tagen soll Ankara erreicht werden. „Unser Marsch ist ein Demokratiemarsch. Unser grundsätzliches Programm ist die Demokratie und somit auch die Freiheit. Wir wollen mit der Gesellschaft der gesamten Türkei zusammenkommen und sind überzeugt, dass wir so ein deutliches Ergebnis erzielen können, denn die HDP führt einen entschlossenen politischen Kampf.“
Wie Sancar weiter ausführte, geht es nicht um einen Fußmarsch von Stadt zu Stadt. Vielmehr sollen gewählte Vertreterinnen und Vertreter der HDP – darunter Abgeordnete, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Stadtrats- und Vorstandsmitglieder – in den Städten mit der Bevölkerung zusammentreffen. „Der erste Flügel wird in Edirne starten und der zweite in Colemêrg. In Ankara werden beide vereint werden. Die Orte wurden so gewählt, da in Edirne unser ehemaliger Ko-Vorsitzende Selahattin Demirtaş im Gefängnis festgehalten wird und Leyla Güven in Colemêrg zur Abgeordneten gewählt wurde. Ich selbst werde an dem Marsch ab Colemêrg teilnehmen, unsere Ko-Vorsitzende Pervin Buldan ab Edirne.“