Bundeskanzlerin Merkel hat nach ihrem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan erklärt, die Türkei bei der Versorgung von Flüchtlingen in Nordsyrien zu unterstützen und darüber hinaus die türkische Küstenwache stärken zu wollen, die erst vor wenigen Tagen mit dem Rammen eines Flüchtlingsbootes für Schlagzeilen sorgte. Anita Starosta, Referentin für Syrien und Türkei bei der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international, bezeichnete Merkels Erklärung als „einen Tabubruch, der sich lange angekündigt hat".
„Sollte die UN - auf Initiative Deutschlands - die Ansiedlung von Flüchtlingen in die türkische Sicherheitszone unterstützen, wäre dies ein Tabubruch, der den Krieg der Türkei in Nordsyrien nicht nur anerkennt, sondern aktiv unterstützt. Es kann und darf nicht sein, dass ein völkerrechtwidriger Angriffskrieg, als den der wissenschaftliche Dienst des Bundestags die türkische Invasion bezeichnet hat, mit internationaler und deutscher Hilfe legitimiert wird. Wenn diese Gelder nach Nordsyrien fließen, macht sich die Bundesregierung mitschuldig an der Vertreibung und Verfolgung der syrischen Kurden", so Starosta.
Es sei außerdem eine „außenpolitische Bankrotterklärung", jetzt gemeinsam mit denen Flüchtlingsunterkünfte zu bauen, deren Krieg Hunderttausende in die Flucht getrieben hat. Bis heute leben in Nordsyrien Hunderttausende Menschen in provisorischen Unterkünften, die aus dem im letzten Jahr von türkischen Söldnertruppen besetzten Gebiet fliehen mussten.
Das gelte auch für die Provinz Idlib. „Seit Monaten bleiben Deutschland und Europa politisch untätig, während sich in Idlib eine humanitäre Katastrophe verschärft und die Zivilbevölkerung gezielt von syrischer und russischer Armee angegriffen wird - während gleichzeitig die Türkei Rebellenmilizen finanziell und materiell unterstützt. Anstatt mit Erdoğan jetzt über den Bau von Flüchtlingsunterkünften zu verhandeln, müsste Merkel sich für legale Fluchtwege nach Europa, ein Ende der Kämpfe in Idlib und den Rückzug der türkischen Truppen aus Nordsyrien einsetzen", so Anita Starosta abschließend.