Massenabschiebung als Konsequenz aus Moria-Brand

Nach dem schweren Brand im vollkommen überfüllten Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos kündigt die griechische Regierung die Abschiebung von 10.000 Schutzsuchenden in die Türkei an.

Vorgestern kam es nach einem Kurzschluss zu einem folgenschweren Brand im vollkommen überbelegten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Bei dem Brand starben eine junge Mutter und ihr Kind. Nach Angaben von Schutzsuchenden traf die Feuerwehr viel zu spät am Unglücksort ein. Die Behauptung der griechischen Behörden, die Feuerwehr sei am Löschen gehindert worden, sei eine Schutzbehauptung, erklärten sie.

Im Zuge des Brands kam es zu massiven Protesten gegen die schlechten Bedingungen, gegen die die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern vorging. Das vollkommen überlastete System der sogenannten Hotspots ist eine Konsequenz aus dem EU-Türkei-Abkommen. So sollen auf den griechischen Inseln ankommende Schutzsuchende dort registriert werden und die Entscheidung getroffen werden, ob sie in die Türkei zurückgeschickt werden sollen oder nicht. Das Erdoğan-Regime hat in den letzten Wochen auf weitere direkte Zugeständnisse der EU für sein ökonomisch und politisch kriselndes Herrschaftssystem gedrängt. Offensichtlich, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, öffnete die Türkei wieder partiell den Zugang für Boote mit Schutzsuchenden über die Ägäis.

Überfüllung Konsequenz aus EU-Türkei-Deal

50 Prozent mehr Schutzsuchende erreichten in diesem Jahr gegenüber 2018 die griechischen Inseln. Im August und September hatte sich der Andrang gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Allein in der vergangenen Woche kamen 3.000 Menschen aus der Türkei auf den griechischen Inseln an.

Im Aufnahmelager Moria auf Lesbos, dessen Unterkünfte und sanitäre Anlagen für 3.000 Personen ausgelegt sind, leben inzwischen über 12.000 Menschen. Weil die Einrichtungen längst überfüllt sind, sind Neuankünfte zur Obdachlosigkeit verurteilt. Insbesondere für Kinder und Jugendliche ist die Situation dramatisch. Im bevorstehenden Winter droht hier eine humanitäre Katastrophe.

Konsequenz aus der Katastrophe: Massenabschiebungen

Die Regierungen der EU-Staaten äußerten Betroffenheit über die schrecklichen Vorgänge. Fast in einem Atemzug schaffte es der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, von einer „Tragödie, die auch uns bestürzt“ zu reden, um dann gleich darauf zu betonen, dass die EU-Türkei-Erklärung „ein Schlüssel“ sei und die Zahl der Rückführungen deutlich gesteigert werden müsse. Griechenland teile diese Sichtweise, fügte Seibert hinzu. Und so folgte auch die prompte Ankündigung Griechenlands, bis 2020 10.000 Schutzsuchende in die Türkei abschieben zu lassen. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, kommentierte treffend: „Erst weinten Politiker der EU Krokodilstränen um die bei dem Brand im Lager Moria auf der Insel Lesbos getötete Mutter mit ihrem Kind. Doch schon wenige Stunden später missbraucht die griechische Regierung, sekundiert von der Bundesregierung, die schrecklichen Zustände in Moria, um die Abschiebung Zehntausender in die Erdoğan-Diktatur vorzubereiten. Das ist einfach abgrundtief widerwärtig.“

Auch wenn sich die Türkei mit der überhöhten Zahl von 3,6 Millionen Flüchtlingen rühmt, die sie aufgenommen habe, genießen die real etwa 2,8 Millionen Flüchtlinge in der Türkei alles andere als Schutz. So wird nur ein Bruchteil versorgt. Hunderttausende Kinder sind Kinderarbeit ausgesetzt oder können keine Schule besuchen. Von der Regierung angestachelte Pogrome in Städten wie Adana versetzen Schutzsuchende dort in Angst und Schrecken. In Istanbul geht die Polizei gewaltsam gegen Läden von Schutzsuchenden aus Syrien vor und betreibt eine regelrechte Hatz auf Migrant*innen. Diese werden dann in Gefängnisse gesteckt und immer wieder auch durch Schläge und Misshandlungen gezwungen, ihre „freiwillige Ausreise“ nach Syrien zu unterzeichnen. Schutzsuchende werden zudem systematisch nach Syrien in das Kriegsgebiet Idlib abgeschoben oder als Siedler zu ethnischen Säuberungen in Efrîn missbraucht. Die türkische Regierung kündigt immer wieder an, alle Flüchtlinge in einer Besatzungszone in Nordsyrien ansiedeln zu wollen. Schutzsuchende aus anderen Ländern wie Afghanistan werden gleich in Kettenabschiebungen illegal in das Kriegsland deportiert.