Die kurdische Exil-Community in Europa setzt ihre Aktivitäten für die Freiheit von Kenan Ayaz fort. Auf Aufruf der Demokratischen Kurdischen Gemeinde in der Schweiz (CDK-S) und dem Verband kurdischer Frauen (YJK-S) beteiligten sich am Freitag viele Menschen in Genf an einer Mahnwache für den kurdischen Politiker. Ayaz befindet sich zurzeit aufgrund eines deutschen Auslieferungsersuchens in Zypern in Haft. Seit gestern protestiert er mit einem Hungerstreik dagegen, da er bei einer Auslieferung eine Weiterschiebung in die Türkei befürchtet.
Die Mahnwache fand im Norden von Genf vor dem europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen (UN) statt. Selma Sürer, Ko-Vorsitzende der CDK-S, verurteilte in einer Ansprache die auf deutsches Geheiß erfolgte Inhaftierung von Ayaz als einen „Akt in der internationalen Kriminalisierung“ des Befreiungskampfes der Kurdinnen und Kurden gegen Unterdrückung. Gerade Deutschland liege im globalen Vergleich auf den vordersten Plätzen, was die Diskriminierung und das Versehen kurdischstämmiger Menschen mit dem „Terror-Stigma“ betreffe. Die Wurzel des Übels sei in den Beziehungen der Bundesregierung zur Türkei zu suchen.
„Wir sehen in dieser seit Jahrzehnten gängigen Kriminalisierungspraxis eine politische Positionierung Deutschlands und der deutschen Justiz. Sie machen sich dadurch zum Gehilfen eines autokratischen und faschistischen Regimes“, sagte Sürer. Sie betonte, dass in den letzten Jahren Dutzende vor politischer Verfolgung nach Deutschland geflüchtete Menschen von der Kriminalisierungspolitik erfasst worden seien und im Zuge von Abschiebungen in türkischen Gefängnissen landeten. „Es ist längst überfällig, die Uhr im deutsch-kurdischen Verhältnis auf null zu setzen und einen Schlussstrich über die Kriminalisierungspolitik zu ziehen.“ Sürer fordert, dass zwischenstaatliche Beziehungen nicht zu den Lasten der Grundrechte eines Volkes führen dürften.
An Zypern appellierte Sürer im Namen der CDK-S und des YKS-S, Kenan Ayaz unverzüglich freizulassen. „Seine Inhaftierung verstößt gegen nationales Recht und wir erwarten, dass dies im Widerspruchsverfahren gegen seine Auslieferung erkannt wird.“ Nach Sürer hielt Ramazan Baytar als Außensprecher der CDK-S eine Rede, in der er die Anwesenden über ein am Donnerstag mit der Ständigen Vertretung Zyperns bei den Vereinten Nationen erfolgtes Gespräch über die Situation von Ayaz informierte. Eine Delegation hatte Andrea Petranyi gestern ein Dossier mit der Forderung nach der Freilassung von Ayaz übergeben.
Kenan Ayaz war am 15. März beim Versuch, zu seiner Familie in Schweden zu reisen, am Flughafen Larnaka festgenommen und in Auslieferungshaft genommen worden. Deutschland verlangt seine Auslieferung unter dem Vorwurf der angeblichen Mitgliedschaft in der PKK nach dem Gesinnungsparagraphen 129b – Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Obwohl Ayaz genau aus diesem Grund, wegen des KCK-Verfahrens in der Türkei, Asyl auf Zypern erhalten hat, hat ein lokales Gericht dem deutschen Auslieferungsantrag für den 49-Jährigen stattgegeben. Das Widerspruchsverfahren gegen die Auslieferung soll am 16. Mai entschieden werden.
Zwölf Jahre im türkischen Knast
Als langjähriger Aktivist der kurdischen Freiheitsbewegung und aufgrund seiner politischen Identität war Kenan Ayaz in der Türkei bereits zwölf Jahre im Gefängnis. Seit 2013 lebt er im griechischen Teil von Zypern und ist anerkannter Flüchtling. Sein politisches Engagement setzte er im Exil öffentlich und im legalen Rahmen fort, offenbar werden ihm auch von der deutschen Justiz keine individuellen Straftaten vorgeworfen. In der Schweiz ist eine Online-Petition für die Freiheit von Kenan Ayaz gestartet worden.