Der türkische Staat nutzt Interpol als Mittel, um seine Repression global auszudehnen und missliebige Personen einzuschüchtern und zu verfolgen. Das zeigt auch der aktuelle Fall von Mehmet Dizin, der seit 1980 in Deutschland lebt und arbeitet. Während eines Urlaubs in Italien wurde er aufgrund eines Auslieferungsgesuchs der Türkei festgenommen und befindet sich nach 40 Tagen Haft derzeit in der Nähe von Bologna im Hausarrest. Obwohl der aus Dep (tr. Karakoçan) stammende Kurde seit 1980 die Türkei nicht betreten hat, begründet der türkische Staat sein Auslieferungsgesuch damit, dass er zwischen 1988 und 2019 an Bombenanschlägen auf Militärbasen und Entführungen in Dersim teilgenommen haben soll.
In einem ersten Gerichtsverfahren nach 40 Tagen Haft war Dizins Freilassung angeordnet worden. Allerdings wurde er kurz darauf per E-Mail darüber informiert, dass er erneut vor Gericht erscheinen müsse, damit über das Auslieferungsersuchen der Türkei entschieden werden könne. Gleichzeitig wurde der Hausarrest angeordnet. Diese Verhandlung wird in den nächsten 30 bis 40 Tagen erwartet.
Seit 1985 staatenlos
Die Vorwürfe des türkischen Staates sind vollständig konstruiert. Bereits 1985 war Dizins türkischer Pass vom Konsulat wegen Ermittlungen gegen ihn eingezogen worden, wenige Monate später wurde er zusammen mit 124 weiteren Personen offiziell ausgebürgert. Daher erhielt er von den deutschen Behörden einen Reisepass für Staatenlose. Zwischen 1981 und 1993 arbeitete er in einem Unternehmen. Während dieser Zeit suchte Dizin mehrmals das türkische Konsulat auf, um offizielle Angelegenheiten für seine Kinder und seine Frau zu erledigen. Als seine Frau im Jahr 2012 verstarb, nahm er ebenfalls ohne Probleme die Dienste des Konsulats in Anspruch.
Im Mai 2017 suchte Dizin erneut das türkische Konsulat auf, um seine neue Heirat eintragen zu lassen. Ihm wurde geraten, einen türkischen Personalausweis zu beantragen. Innerhalb eines Monats erhielt er eine türkische Identitätskarte, obwohl er bereits deutscher Staatsbürger geworden war.
Erste Festnahme in Dänemark
Am 6. Dezember 2018 wurde Dizin bei einer Personalienkontrolle, als er im Rahmen seiner Arbeit einen Lastwagen nach Dänemark fuhr, festgenommen und anschließend wieder freigelassen. Dabei erfuhr er, dass Interpol ihn wegen einer Aktion in Dersim im Jahr 1988 suchte.
Türkei konstruiert neue Vorwürfe
Im Sommer 2023 fuhr Dizin mit seiner Ehefrau nach Italien in den Urlaub. Mitten in der Nacht wurde ihre Unterkunft von der Polizei gestürmt, und Dizin wurde festgenommen. Ihm wird von der Türkei vorgeworfen, zwischen 1998 und 2019 an Bombenanschlägen und Entführungen beteiligt gewesen zu sein.
Dizin erklärt, dass er sich zum Zeitpunkt der Vorfälle nicht in der Türkei aufgehalten habe und dass die Türkei nach seiner Freilassung in Dänemark Interpol mit einer neuen Beschuldigung konfrontierte: „Am 5. April 2019 wurde plötzlich behauptet, dass ich in Dersim Menschen entführt, Bomben gelegt und Anschläge mit Dynamit verübt hätte. Als der türkische Staat mit dem Schreiben, das er über Interpol an Dänemark geschickt hatte, kein Ergebnis erzielen konnte, wandte er sich offensichtlich mit dieser neuen Beschuldigung an Interpol. So erfuhr ich davon.“
„Solche skandalösen Praktiken müssen beendet werden“
Nach 40 Tagen Haft in Italien sei ihm mitgeteilt worden, dass das Verfahren nochmals aufgerollt werde und er unter Hausarrest stehe, so Mehmet Dizin: „Ich weiß nicht, wie die Dinge verlaufen werden. Meine Hoffnung ist, dass diese ungerechten und niederträchtigen Lügen und solche skandalösen Vorgehensweisen nicht nur für mich, sondern für alle Kurden ein Ende haben werden.“