Kurdische Abgeordnete seit zwei Jahren in Geiselhaft

Vor zwei Jahren wurden elf HDP-Abgeordnete in der Türkei festgenommen. Nach zweijähriger Geiselhaft soll jetzt der Europäische Menschenrechtsgerichtshof entscheiden.

Am 4. November 2016 wurden elf Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in der Türkei festgenommen. Mitten in der Nacht wurden die Parteivorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ sowie die Abgeordneten Nursel Aydoğan, Sırrı Süreyya Önder, Selma Irmak, Ziya Pir, Ferhat Encü, Gülser Yıldırım, İdris Baluken, Leyla Birlik und İmam Taşçıer aus ihren Wohnungen geholt. Während Sırrı Süreyya Önder, Ziya Pir und İmam Taşçıer später gegen Meldeauflagen wieder freigelassen wurden, erging gegen die anderen nach Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität Haftbefehl. Seitdem sitzen sie in verschiedenen Gefängnissen in der Türkei in Untersuchungshaft.

Die Rechtsanwältin Reyhan Yalçındağ gehört zum Verteidigerteam der inhaftierten ehemaligen Abgeordneten. Da alle juristischen Wege in der Türkei ausgeschöpft sind, ist der Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebracht worden. Wie die Rechtsanwältin erklärt, sind aus Sicht des Verteidigerteams fünf Artikel des europäischen Menschenrechtsabkommens verletzt worden, darunter das Recht auf Meinungsfreiheit, auf Versammlungs- und Organisationsfreiheit sowie das aktive und passive Wahlrecht. Die Anwälte fordern Entschädigung und die Aufhebung der Haftbefehle. Im Fall von Selahattin Demirtaş, Figen Yüksekdağ, Nihat Akdoğan, Abdullah Zeydan, Selma Irmak, İdris Baluken, Ferhat Encü, Gülser Yıldırım und Çağlar Demirel steht die Urteilsverkündung des EGMR bevor.

Reyhan Yalçındağ bewertet die Verhaftungen als Maßnahme gegen die damals aufgekommene „Hoffnung auf eine demokratische Lösung“. Im Zuge des 4. November sind von 104 kurdischen Kommunalverwaltungen 96 unter Zwangsverwaltung gestellt worden, führt die Anwältin aus: „53 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie neun Abgeordnete der HDP sind weiterhin im Gefängnis.“

Gegen kurdische Politikerinnen und Politiker werde das „Feindstrafrecht“ angewendet, so Reyhan Yalçındağ: „Sie sind aufgrund von Tätigkeiten in Haft, die im Strafrecht nicht geahndet werden. Deshalb sprechen wir von Feindstrafrecht. Idris Baluken ist beispielsweise für Reden bei öffentlichen Veranstaltungen zu 18 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Diese Reden hatten keine anderen Inhalte als die, die er als Abgeordneter im Parlament gehalten hat.“