Fast ein Drittel aller HDP-Mitglieder festgenommen

Zwischen Juli 2015 und Februar 2018 sind 11.631 Mitglieder der HDP festgenommen worden. 3.382 Parteimitglieder wurden verhaftet.

Im Lauf der Geschichte der türkischen Republik wurden 56 politische Parteien von Verfassungs-und Militärgerichten der Türkei geschlossen. Bei 13 dieser Parteien handelte es sich um solche, die den politischen Kampf der Kurd*innen vertraten. Seit 2015 ist es zwar im Zuge von Verfassungsänderungen schwieriger geworden, Parteien zu verbieten, da Beschlüsse zu diesem Zweck von der parlamentarischen Generalversammlung bewilligt werden müssen. Doch faktisch gesehen wird beabsichtigt, auch die Demokratische Partei der Völker (HDP), die drittgrößte Partei im türkischen Parlament, zu schließen.

Politischer Vernichtungsfeldzug gegen kurdische Opposition

Seit Abbruch der Gespräche für einen Friedensprozess und einer Lösung der kurdischen Frage und den wiederbegonnenen Angriffen gegen die kurdische Bevölkerung durch die AKP-Regierung im Juli 2015 wurden laut einem aktuellen Bericht des HDP-Informationszentrums im Rahmen des politischen Vernichtungsfeldzuges gegen die kurdische Opposition 11.631 Mitglieder der Demokratischen Partei der Völker festgenommen. 3.382 dieser Parteimitglieder landeten im Gefängnis. Nach den von der Generalstaatsanwaltschaft des Kassationshofes der Republik Türkei vorgelegten Zahlen sind 37.551 Personen Mitglied bei der HDP. Somit befanden sich fast ein Drittel aller Mitglieder der Partei bereits in Polizeigewahrsam.

Gewählte Vertreter*innen zur Zielscheibe erkoren

Die Festnahmen und Inhaftierungen sind nicht nur auf Mitglieder der HDP beschränkt. Nach Angaben des HDP-Informationszentrums sind seit Juli 2015 43 Ko-Vorsitzende von Stadtverbänden und 101 Ko-Vorsitzende von Kreisverbänden der HDP verhaftet worden. Die Situation bei der Schwesternpartei DBP (Partei der demokratischen Regionen) sieht nicht anders aus: 92 der von der kurdischen Bevölkerung gewählten Vertreter*innen der insgesamt 102 Lokalverwaltungen unter Federführung der DBP wurden abgesetzt und durch staatlich eingesetzte Treuhänder ersetzt. 55 der Ko-Bürgermeister*innen der DBP sitzen immer noch im Gefängnis. Gleiches gilt für die beiden Ko-Vorsitzenden Sebahat Tuncel und Mehmet Aslan. 15 der Ko-Bürgermeister*innen wurden zu einer Gesamtstrafe von 109 Jahren Gefängnis verurteilt. Fast 5.000 DBP-Mitglieder und Vorstandsvorsitzende sind verhaftet worden.

Staatsanwaltschaft fordert 482 Haft für Demirtaş

Die ehemaligen Ko-Vorsitzenden der HDP, Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş sind bereits seit dem 4. November 2016 im Gefängnis. Gegen Demirtaş liegt zwar noch kein rechtskräftiges Urteil vor, doch fordert die türkische Staatsanwaltschaft eine Strafe von 482 Jahren Gefängnis.

Die geforderte Gesamtstrafe aller inhaftierten HDP-Abgeordneten beläuft sich auf über 1.000 Jahre Haft.

Repression bereits im Parlament angekommen

Bei den Wahlen am 1. November 2015 zogen 59 Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP) ins türkische Parlament. Gegen 55 ihrer Abgeordneten wurden 511 Untersuchungsberichte mit der Forderung nach Aufhebung der Immunität beim türkischen Justizministerium eingereicht. Insgesamt 387 Verhandlungstermine von inhaftierten Abgeordneten fanden bereits statt.

Im Zuge von rechtskräftigen Urteilen ist Figen Yüksekdağ, İbrahim Ayhan, Ahmet Yıldırım, Nursel Aydoğan, Besime Konca und Ferhat Encü der Abgeordnetenstatus entzogen worden. Wegen Fehlzeiten im Parlament wurde auch der Status von Faysal Sarıyıldız, Tuğba Hezer Öztürk und Leyla Zana aberkannt. In fünf weiteren Fällen kann es ebenfalls jederzeit zur Aufhebung der Immunität kommen.

Allein in einem Monat fast 2.500 Festnahmen

Im Februar 2017 sind 2.487 HDP-Mitglieder festgenommen worden. 723 Parteimitglieder wurden allein in Dîlok (Antep) festgenommen, weitere 256 in Istanbul und 182 in Amed (Diyarbakir).

Zu den Festnahmen und Verhaftungen, die faktisch eine Schließung der HDP vorsehen, äußern sich ihre Mitglieder folgendermaßen: „Draußen gab es schon eine HDP. Mittlerweile gibt es eine weitere im Gefängnis.“