Kritik im Europarat an Verfolgung von Oppositionellen

Der Europarat kritisiert die Verfolgung politischer Oppositioneller in der Türkei massiv. Die Versammlung fordert Ankara auf, die Rechte aller Oppositionspolitiker zu schützen. Die Isolationsbedingungen auf Imrali müssen beendet werden.

Wegen der Verfolgung politischer Oppositioneller ist die Türkei im Europarat massiv kritisiert worden. Die Situation des Rechtsstaats, der Demokratie und der Menschenrechte habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert, stellte die Parlamentarier-Versammlung der Länderorganisation am Donnerstag in einer Entschließung fest. Die Versammlung verurteilte insbesondere den Entzug der parlamentarischen Immunität von 154 Abgeordneten, unter ihnen zahlreiche Vertreter*innen der Demokratischen Partei der Völker (HDP). Viele von ihnen wurden inhaftiert, wie der ehemalige Ko-Vorsitzende Selahattin Demirtaş, und die Abgeordnete Leyla Güven, heißt es in der Entschließung. Deren Lage sei besonders besorgniserregend, weil sie wegen ihres im November begonnenen Hungerstreiks gesundheitlich angeschlagen sei.

Inhaftierte Abgeordnete freilassen, EGMR-Urteil zu Demirtaş umsetzen

Die Versammlung forderte die Regierung in Ankara auf, Güven und die anderen inhaftierten Abgeordneten freizulassen und die Rechte aller Oppositionspolitiker*innen zu schützen. Dazu gehörten das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit. Außerdem müsse die Türkei das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zum Fall des Politikers Demirtaş umsetzen. Das Straßburger Gericht hatte seine Verurteilung und Inhaftierung im November als politisch motiviert gerügt und dessen Freilassung aus der Untersuchungshaft gefordert. Bislang setzt sich die türkische Regierung über diese Anordnung hinweg.

Selahattin Demirtaş, die ehemalige HDP-Ko-Vorsitzende Figen Yüksekdağ und andere Abgeordnete und Politiker*innen waren im November 2016 festgenommen worden und sitzen seitdem in Geiselhaft. Tausende weitere Abgeordnete, Bürgermeister*innen, Funktionäre und Aktivist*innen der HDP sind ebenfalls im Gefängnis.

Isolationshaftbedingungen von Öcalan

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates kündigt in ihrer Entschließung auch an, die Situation des PKK-Gründers Abdullah Öcalan und der drei anderen Gefangenen auf der Gefängnisinsel Imrali weiter zu verfolgen. Im Absatz 11.1.6 heißt es dazu: „Die Empfehlungen des Ausschusses des Europarates zur Verhütung von Folter (CPT) (…) in Bezug auf Herrn A. Öcalan und andere Gefangene in der geschlossenen Hochsicherheitsgefängnisanstalt Imrali werden umgesetzt“.

Im März 2018 veröffentlichte das Antifolterkomitee des Europarates CPT einen Bericht über einen zwei Jahre zuvor stattgefundenen Besuch in dem Hochsicherheitsgefängnis auf der Gefängnisinsel im Marmarameer, auf der Abdullah Öcalan und drei weitere Gefangene festgehalten werden. Das Antifolterkomitee äußerte ernste Besorgnis darüber, dass sich die Situation hinsichtlich des Kontakts der Gefangenen mit der Außenwelt verschlechtert hat.

In dem Bericht von 2016 wurde festgehalten, dass Abdullah Öcalan seit fünf Jahren keinen Besuch mehr von seinen Anwälten empfangen kann und seit 18 Monaten nicht mehr von seinen Angehörigen. Das gleiche gelte auch für die anderen Gefangenen auf Imrali. „Allen Häftlingen wurde außerdem ein vollständiges Telefonverbot auferlegt. Das Komitee fordert die türkischen Behörden auf, dafür zu sorgen, dass alle Gefangenen im Imrali-Gefängnis, sofern sie dies wünschen, Besuche ihrer Angehörigen und Rechtsanwälte empfangen können. Das CPT fordert die Beendigung dieses Zustands. Öcalan hat zweimal im Monat das Recht auf Telefonkontakte sowie auf Besuche seiner Verteidiger und Anwälte.”

AKP-Abgeordnete versuchen Entschließung abzumildern

Der Parlamentarier-Versammlung gehören 318 nationale Abgeordnete aus den 47 Europaratsländern an, unter ihnen auch Mitglieder der türkischen Regierungspartei AKP. Sie wiesen die Kritik vehement als einseitig zurück und versuchten vergeblich, den Text abzumildern.