Justizskandal in Krefeld: Aufruf zur Prozessbegleitung

Eine Friedenskundgebung in Krefeld wurde im April 2022 von türkischen Ultranationalisten angegriffen. Angeklagt wurden trotz zahlreicher Zeug:innen nicht die Angreifer, sondern zwei kurdische Opfer. Ein Krefelder Bündnis ruft zur Prozessbegleitung auf.

Kurden angeklagt

Aufgrund türkischer Angriffe auf kurdische Gebiete in Syrien und Irak fand in Krefeld im April 2022 eine Friedenskundgebung statt. Mehrfach wurde diese von türkischen Ultranationalisten angegriffen. Trotz anwaltlicher Bemühungen wurden die Ermittlungsverfahren gegen die Angreifer eingestellt und stattdessen Anklage gegen die Opfer erhoben (ANF berichtete). Die Hauptverhandlung gegen die beiden Aktivisten vor dem Krefelder Amtsgericht beginnt in der kommenden Woche. Das Bündnis „Krefeld für Toleranz und Demokratie“ ruft zu einer solidarischen und kritischen Prozessbegleitung auf.

Einstellung des Verfahrens gefordert

Zwei kurdische Opfer faschistischer Gewalt stehen ab kommenden Montag, 27. Januar 2025, in Krefeld vor Gericht. Die Anklage lautet auf gemeinschaftliche Körperverletzung. Das Krefelder Bündnis kritisiert die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft. Hintergrund der mutmaßlichen Tat sei eine Täter-Opfer-Umkehr in Zusammenhang mit antikurdischem Rassismus.

„Strafverfolgung der Opfer ist empörend“

Bei den Angeklagten handelt es sich um Lezgin B., früherer HDP-Abgeordneter im türkischen Parlament, welcher sich aufgrund der Repression des Erdoğan-Regimes in Deutschland im Exil befindet, sowie Hüseyin P., ein 74-jähriger kurdischer politischer Flüchtling. Das Bündnis hatte zusammen mit anderen an der Kundgebung beteiligten Krefelder Organisationen bereits im August 2024 die Einstellung des Verfahrens gefordert. „Der Umgang der Staatsanwaltschaft Krefeld mit den Angriffen auf eine angemeldete Kundgebung besorgt uns, die Strafverfolgung der Opfer extrem rechter Täter ist empörend“, kritisiert Esther Wissen, Sprecherin des Bündnisses, „wenn das Amtsgericht Krefeld der Staatsanwaltschaft folgt, werden die Opfer zu Tätern gemacht.“

Attacke türkischer Ultranationalisten

Die ursprünglichen Angreifer gehörten laut Bündnis dem Umfeld der ultranationalistischen Anhängerschaft des türkischen Präsidenten Erdoğan, der Regierungsparteien AKP und MHP sowie deren faschistischer Miliz der „Grauen Wölfe“ an. Diese hatten mehrere Teilnehmende der Kundgebung verletzt, unter ihnen die beiden Angeklagten. Auch nach den Übergriffen wurden in den Sozialen Medien persönliche Drohungen verbreitet.

Ermittlungsverfahren gegen Angreifer mehrfach eingestellt

Die Ermittlungsverfahren gegen die ursprünglichen Angreifer hatte die Krefelder Staatsanwaltschaft zweimal eingestellt. Das Bündnis zeigt sich über dieses Vorgehen irritiert. „Warum beachten weder Staatsanwaltschaft noch Amtsgericht die politischen Hintergründe der Angriffe?“, fragt Esther Wissen, „die Anwälte der Angeklagten hatten der Staatsanwaltschaft umfangreiches Material dazu beigebracht. Der Anmelder der Friedenskundgebung wurde nicht als Zeuge vernommen, bis heute nicht. Dabei hatte er damals sofort zu Beginn des Überfalls die Polizei verständigt. Die Staatsanwaltschaft hat bis heute aus der Gruppe der friedlichen Kundgebungsteilnehmenden keinerlei Zeuginnen und Zeugen vorgeladen. Anscheinend übernimmt die Staatsanwaltschaft Krefeld in ihrer Strafverfolgung die Version der beiden gewalttätigen Angreifer.“

Aufruf zur Prozessbegleitung

Das Bündnis „Krefeld für Toleranz und Demokratie“ ruft zur solidarischen und kritischen Prozessbegleitung auf: „Es ist wichtig, dass dieser Prozess unter den Augen der Öffentlichkeit stattfindet. Da bereits in den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft die Opfer rechtsextremer Gewalt zu Tätern gemacht worden sind, befürchten wir dies auch in der Gerichtsverhandlung. Das Bündnis wird mit einigen Mitgliedern bei den Verhandlungstagen zur Prozessbeobachtung im Gerichtssaal präsent sein und hofft, dass auch zahlreiche Beobachter:innen aus der Zivilgesellschaft und der Presse anwesend sein werden.“

Das Amtsgericht Krefeld hat den Termin zur Hauptverhandlung festgesetzt:

Montag, 27.01. 2025, 13:00 Uhr
Amtsgericht Krefeld, Sitzungssaal H 216
Nordwall 131, 47798 Krefeld