Erdoğans langer Arm reicht bis Krefeld

Der Deutsch-Kurdische Freundschaftsverein Krefeld wollte sich mit einer Veranstaltung an der interkulturellen Woche beteiligen. Aus noch ungeklärten Gründen hat die Stadt die Veranstaltung aus dem Programm gestrichen. Sie würde den Frieden stören.

Ende September wurde in Krefeld die interkulturelle Woche IKW begangen. Diese soll migrantischen Vereinen und Religionsgemeinschaften die Möglichkeit geben, sich vorzustellen, und beinhaltet auch Diskussionen rund um politische Themen wie Rassismus und Integration. In seinem Vorwort zum Programmheft schreibt der Oberbürgermeister der Stadt Krefeld, Frank Meyer: „Das Motto der Interkulturellen Woche klingt vor diesem Hintergrund wie ein Aufruf an uns alle: Raus aus deiner Bubble! Denn am liebsten bewegen wir uns natürlich in unserem eigenen Umfeld und verbringen unsere Zeit mit Menschen, die ähnlich ticken wie wir selbst. Dass auch jenseits des Gartenzauns spannende Lebensgeschichten, bedenkenswerte Positionen und interessante Menschen warten, das lässt sich bei der Interkulturellen Woche stets aufs Neue erleben.“

Keine Offenheit für das Thema Kurdistan?

Schnell zu Ende mit der Offenheit für kritische Diskussion war es jedoch auch in Krefeld, als es um das Thema Kurdistan gehen sollte. Für den 27. September hatten der Deutsch-Kurdische Freundschaftsverein (DKFV) und die Ratsgruppe der Partei DIE LINKE in Krefeld im Rahmen der IKW zur Diskussionsveranstaltung „Deutsch-Türkische Freundschaft? Der ewige Krieg gegen Kurdistan“ mit Ayten Kaplan, der Sprecherin des Verbandes von Kurdinnen in Deutschland (YJK-E), und Dr. Ismail Küpeli, dem Autor von „Die kurdische Frage in der Türkei. Über die gewaltsame Durchsetzung von Nationalstaatlichkeit“, eingeladen. Anschließend stand ein Konzert der multiethnischen Band „Nanobeat“ auf dem Programm.

Diskriminierung in zwei Eskalationsstufen

In einer ersten Version des Programmbroschüre war die Veranstaltung zwar erwähnt, jedoch lediglich als Programmtitel, ohne den erläuternden Text und die Ankündigung des anschließenden Konzertes. Dabei wurden den Ersteller:innen der Broschüre alle Informationen fristgerecht zur Verfügung gestellt. Dazu kam, dass lediglich die Ratsgruppe der Linken als Veranstalter genannt wurde, der DKFV wurde schon hier nicht erwähnt.

Während die Veranstalter:innen noch diskutierten, wie mit dieser diskriminierenden Behandlung ihrer Veranstaltung umgegangen werden sollte, erreichte sie ein Anruf des Leiters des Fachbereichs Migration und Integration der Stadt Krefeld, Andreas Pamp. Dieser teilte mit, dass die Veranstaltung ganz aus dem Programm gestrichen worden sei.

Es habe vorher keinerlei Rücksprache mit den Veranstalter:innen gegeben, erklärt die Ratsgruppe der Krefelder Linken in einer Pressemitteilung. Bis heute habe es kein Gesprächsangebot und keine öffentliche Stellungnahme der Verwaltungsspitze zur Absetzung der Veranstaltung gegeben. Als Grund für die Streichung der Veranstaltung sei bei dem Telefongespräch vom Fachbereichsleiter eine Beschwerde angeführt worden. Er habe dabei Argumente genannt, die bereits im Juni von der Islam-Union und der DITIB gegen die Resolution „Verurteilung des Angriffskrieges der Türkei“ propagiert worden seien, berichtet die Ratsgruppe.

Breite Solidarität für Veranstalter aus der Krefelder Zivilgesellschaft

Die diskriminierende Haltung der Stadt Krefeld gegenüber den Kurd:innen wurde durch eine breite Unterstützung von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen und Vereinen beantwortet. Die Seebrücke und mehrere Fraueninitiative protestierten gegen die Streichung der Veranstaltung. Das internationale Frauencafé schreibt dazu in einem Protestbrief an die Verantwortlichen: „Auch wenn der Titel oder Inhalt aus manchen Perspektiven diskussionswürdig sein mag, genau darum wird ja Raum für Diskussion eröffnet. Neutralität ist, wenn es um das Thema Krieg geht, nicht möglich. Das Einzige, was geht, ist Fakten sammeln, Aggressoren benennen, Leid sichtbar machen, zuhören, austauschen, verstehen, Solidarität zeigen, Perspektiven austauschen Und genau das ist auf dieser Veranstaltung geplant.“

Noch keine Reaktion der Stadt

Reagiert hat die Stadt Krefeld auf die Proteste nicht. Dennoch konnte die Veranstaltung wie geplant stattfinden, einige der Besucher:innen waren mit dem Ziel gekommen, sich in der Zukunft stärker mit den Krefelder Kurd:innen zu vernetzen.